Berlin Forum für Chemikalien und Nachhaltigkeit – hat es sich gelohnt?
Große Worte für mehr Chemikaliensicherheit
Wir von WECF waren beim Berlin Forum für Chemikalien und Nachhaltigkeit und fragen uns: Hat es sich gelohnt? Eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse des Berlin Forums vom 7. Und 8. Juli 2021.
Mehr als zwei Millionen Menschen sterben laut WHO weltweit jährlich, weil sie giftigen Chemikalien ausgesetzt sind. Viele Krankheiten wie zum Beispiel Krebs, neurologische Erkrankungen und Fruchtbarkeitsstörungen bei Männern* und Frauen* werden mit der ständigen Gegenwart schädlicher Chemikalien in Verbindung gebracht. Besonders betroffen sind Schwangere und Kinder. Gegenwärtig wird zu wenig zum Schutz vor schädlichen Chemikalien und Abfällen unternommen, obwohl die Vereinten Nationen die Schadstoffexposition als Umweltkrise Nummer Drei bezeichnen, neben dem Klimawandel und dem Verlust der Biodiversität.
Chemikalienverschmutzung Umweltkrise Nummer Drei
Um dem entgegenzuwirken, hat die deutsche Bundesumweltministerin Svenja Schulze am 7. und 8. Juli hochrangige Vertreter*innen und Stakeholder*innen des SAICM Prozesses zum „Berlin Forum on Chemicals and Sustainability: Ambition & Action towards 2030” eingeladen, mit dem Ziel, die Notwendigkeit einer wirksamen neuen Chemikalien- und Abfallstrategie für die Zeit nach 2020 zu diskutieren. Dabei waren internationale Organisationen und Vertreter*innen aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft und Stakeholder*innen des SAICM Prozesses, dessen Mandat 2020 endete. Ein Folgeprozess sollte bereits 2020 verabschiedet werden, pandemiebedingt kam es aber zu Verzögerungen. Die Verabschiedung des Folgeprozesses ist nun für 2023 geplant.
Der erste Programmtag war geprägt von Reden bedeutender Minister*innen und Vertreter*innen von mehr als 40 Vertragspartner*innen von SAICM. Hochrangige Gäste waren auch der UN-Generalsekretär Antonio Guterres, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Virginjus Sinkevičius, EU-Kommissar für Umwelt, Ozeane und Fischerei.
Der zweite Tag war dem Dialog mit Stakeholder*innen gewidmet. Im Rahmen von Podiumsdiskussionen tauschten sich Vertreter*innen von Regierungen und internationalen Organisationen sowie der Wissenschaft, Nichtregierungsorganisation und der Industrie aus und diskutierten wie die Zukunft des globalen Chemikalien- und Abfallmanagement aussehen solle.
Internationale Zusammenarbeit für nachhaltigen und zukunftsfähigen Umgang mit Chemikalien
Alle Teilnehmer*innen waren sich einig, dass eine Zusammenarbeit auf internationalem Level nötig ist, um einen nachhaltigen und zukunftsfähigen Umgang mit Chemikalien zu gewährleisten. Das Problem ist, dass sich Schadstoffe über den Boden, das Wasser, die Luft oder in Produkten verteilen lassen, was durch den globalen Handel weiter verstärkt wird. Produktionsketten von Chemikalien oder von Produkten, in denen schädliche Chemikalien verwendet werden, haben ihre Standorte oft weltweit verteilt. Deshalb braucht es eine globale Strategie, um Chemikalien zu kontrollieren.
Einigkeit bestand auch darin, bei der fünften Internationalen Konferenz zu Chemikalienmanagement (ICCM 5) einen ambitionierten Rahmen für internationales Chemikalien- und Abfallmanagement zu schaffen, um die Chemikalienkrise in den Griff zu bekommen. Die ICCM 5 soll über den Nachfolgeprozess von SAICM entscheiden und wird voraussichtlich 2023 in Bonn stattfinden.
Vorgeschlagen wurde auch – ähnlich dem Pariser Abkommen – ein internationales Abkommen zu Chemikalien zu beschließen, wie auch eine zwischenstaatliche Plattform zum Austausch von Wissenschaft und Politik nach dem Beispiel von IPBES und IPCC ins Leben zu rufen.
Besonderer Schutz für Menschen in Armut, indigene Völker, Frauen* und Kinder
Und was noch? Hervorgehoben wurde auch die Dringlichkeit des Problems, sowie die Notwendigkeit der Berücksichtigung des gesamten Lebenszyklus von Chemikalien sowohl für sichere Produkte und eine sichere Produktion als auch für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft. Deutlich gemacht wurde die unterschiedliche Betroffenheit durch Chemikalienverschmutzung. So sind Menschen in Armut und indigene Völker stärker der Verschmutzung und den verbundenen Risiken ausgesetzt. Das gleiche gilt für weitere marginalisierte Gruppen wie Frauen* und Kinder. Anerkannt wurde die Geschlechterfrage, die Rolle der Jugend und die Rolle der Nichtregierungsorganisationen (NRO), die die Industrie zu längst überfälligen Innovationen drängen.
Worten müssen Taten folgen
Und nun? Es wurde beschwört, dass der Schutz vor schädlichen Chemikalien oberste Priorität auf der internationalen Agenda haben muss. Jetzt müssen den Worten Taten folgen – zum Beispiel in Form eines Exportverbotes für hochgefährliche Pestizide, die in Europa produziert, aber nicht angewendet werden. Oder durch die Umsetzung einer strikten Regulierung von hormonell wirksamen Chemikalien (EDCs), inklusive nationaler Aktionspläne, auch in Deutschland. Außerdem darf eine gendergerechte Betrachtung von Risikofaktoren der Chemikalienexposition und deren Berücksichtigung in Politik, Risikobewertung und Programmdesign ebenso wie die gleichberechtigte Beteiligung von Frauen* in politischen Prozessen nicht zu kurz kommen. Zur Durchsetzung dieser und weiterer Forderungen muss eine offene Beteiligung der Zivilgesellschaft in den politischen Prozessen wie SAICM und den UN-Chemikalien Konventionen sichergestellt werden.
Weitere Informationen zum Hintergrund des Prozesses finden Sie in unserem gemeinsamen Hintergrundpapier zum Berlin Forum. Auch unsere Pressemitteilung und eine gemeinsame Stellungnahme von NGOs zu SAICM Beyond 2020 finden Sie auf unserer Website.