Plastikkrise vs. Handelsinteressen

Wie Investition- und Handelsabkommen Umweltschutz erschweren können

Die kanadische Regierung plant Maßnahmen zur Reduzierung von Plastikabfällen. Das gefällt nicht Allen. So wehren sich dutzende Verbände der chemischen und Kunststoff-Industrie gegen die neuen Regeln unter Verweis auf das zwischen Kanada, den USA und Mexiko geltende Freihandelsabkommen USCMA.

Plastik verschmutzt unsere Flüsse, Seen und Ozeane, schädigt die Tierwelt und erzeugt Mikroplastik in dem Wasser, das wir verwenden und trinken. Jedes Jahr werfen alleine Kanadier 3 Millionen Tonnen Plastikmüll weg, von denen nur 9 Prozent recycelt werden. Das bedeutet, dass die überwiegende Mehrheit der Kunststoffe auf Mülldeponien landet und etwa 29.000 Tonnen in die Umwelt gelangen.

Die kanadische Regierung will das Problem nun angehen. Eine wissenschaftliche Bewertung der Plastikverschmutzung wurde zusammen mit einem Plan zu deren Bewältigung veröffentlicht. Die kanadische Regierung schlägt vor, Kunststoffe als giftigen Stoff gemäß dem kanadischen Umweltschutzgesetz einzustufen und die Herstellung und den Import vieler Einwegkunststoffe bis 2021 vollständig zu verbieten.

Der kanadische Minister für Umwelt und Klimawandel, Jonathan Wilkinson, kündigte am 7. Oktober die nächsten Schritte im Plan der kanadischen Regierung an, bis 2030 keinen Plastikmüll mehr zu produzieren. Der Plan soll die Tierwelt und unsere Gewässer schützen, die Treibhausgasemissionen senken und Arbeitsplätze schaffen.

Ein wesentlicher Bestandteil des Plans ist ein Verbot schädlicher Einweg-Kunststoffgegenstände, bei denen nachgewiesen wird, dass sie in der Umwelt vorkommen, häufig nicht recycelt werden und leicht verfügbare Alternativen bieten. Basierend auf diesen Kriterien schlägt die Regierung vor, Plastikbeute, Strohhalme, Rührstäbchen, Sechserpackringe, Besteck und Lebensmittel aus schwer zu recycelnden Kunststoffen zu verbieten.

Industrie: „Nicht so hastig!“

Gar nicht einverstanden mit diesem Vorgehen ist die in den USA ansässige Kunststoffindustrie. Sie beruft sich auf Bestimmungen des Abkommens zwischen den USA, Mexiko und Kanada (USMCA). Ende September schrieb eine Koalition von US-Industrieverbänden, die Chemikalien, fossile Brennstoffe, Lebensmittelverpackungen und Transportmittel produzieren und handeln, an die kanadische Handelsministerin Mary Ng und bekräftigte Kanadas Pläne verstießen gegen internationale Handelsverpflichtungen und die USMCA. Ihre Argumente sind unter anderen:

Ein Verbot von Kunstoffen bzw. Kunststoffe enthaltende Produkte, die in den USA und Mexiko hergestellt würden, entsprächen einem nicht-tarifären Handelshemmnis und beträfen Importe im Wert von über 12,1 Milliarden US-Dollar. Vor allem seien die Auswirkungen auf grenzüberschreitende Wertschöpfungsketten in der Industrie nicht absehbar.

Ein Verbot, Produkte, die in den USA oder Mexiko hergestellt wurden, in Kanada zu verkaufen verstoße gegen die Regeln des USMCA, weil sie auf einer „unvollständigen und ergebnislosen ‘wissenschaftlichen Bewertung’“ beruhten. Nach Ansicht der Unterzeichner des Briefs verstoße das Vorhaben außerdem gegen Artikel 2.2 des WTO Technical Barries to Trade Abkommens, das vorsehe, dass technische Regulierungen nicht handelsbeschränkender als nötig sein dürfen, wenn sie ein legitimes Ziel verfolgten.

Besser als ein Verbot von Produkten sei die Reduzierung von Umweltverschmutzung und Müll. Dafür besser geeignet halten die Unterzeichner eine Ausweitung der sog. Green Economy und die Förderung nachhaltiger Ansätze durch die kanadische Regierung.

Die Unterzeichner sehen die von der kanadischen Regierung vorgeschlagenen Regeln als nicht wissenschaftlich fundiert an.

Weiterhin argumentieren die Unterzeichner außerdem, eine pauschale Klassifizierung von Plastik als „giftig“ könne dazu führen, dass selbst unbedenkliche Produkte, die Kunststoffe enthielten, nicht mehr im bisherigen Umfang exportiert werden könnten. Dahinter verbirgt sich die mehr oder weniger implizite Drohung, solche Einschränkungen als enteignungsgleiche Eingriffe zu werten und damit zum Gegenstand von Investoren-Klagen zu machen. Damit folgt der Brief einer gewissen Tradition: Bereits Fünf Jahre nach Inkrafttreten der Investorenklagemöglichkeiten im USMCA-Vorläufer NAFTA verriet ein:e kanadische:r Beamte:r dem Journalisten William Greider:

„I’ve seen the letters from the New York and DC law firms coming up to the Canadian government on virtually every new environmental regulation and proposition in the last five years. They involved dry-cleaning chemicals, pharmaceuticals, pesticides, patent law. Virtually all of the new initiatives were targeted and most of them never saw the light of day.”

Zivilgesellschaft: „Wir haben Euch gewarnt“

Die kanadische Zivilgesellschaft sieht sich von dem Schreiben in ihren Befürchtungen bestätigt, dass Freihandels- und Investitionsabkommen wie das USMCA dazu führen können, dass Umweltgesetzgebung eingeschränkt wird, um Handelsinteressen zu schützen.

In einem Beitrag für das Online-Magazin „The Hill“ kommen Sharon Treat vom Institute for Agriculture and Trade Policy und Stuart Trew vom Canadian Centre for Policy Alternatives zu dem Schluss:

„Letztendlich werden diese Maßnahmen auch die USA zurückwerfen. Zukünftige US-Regierungen, die den fossilen Sektor eindämmen und den Umweltschutz stärken wollen, könnten in einen Handelsstreit verwickelt sein, den sie selbst geführt haben.“

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