Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß? Die EU-Kommission und Schadstoffe in Plastik
Eine Übernahme von EU-Umweltnews
Eigentlich solle die Verwendung von Polymeren ab 2022 bei der EU gemeldet werden müssen. Der Vorschlag der EU-Kommission für eine solche Pflicht enthält jedoch Ausnahmen für über 90 Prozent der Polymere, kritisieren Wissenschaftler*innen und das Europäische Umweltbüro.
In ihrer Chemikalienstrategie hatte die EU-Kommission vergangenes Jahr festgestellt, dass die europäischen Behörden bisher nur sehr wenig über die Eigenschaften, Auswirkungen und das Vorkommen von Polymeren wissen. Deshalb schlug sie vor, die Registrierungspflicht im Rahmen der europäischen Chemikalienverordnung REACH auf „bestimmte bedenkliche“ Polymere auszuweiten und mehr Wissen über die Stoffe zu erhalten. Polymere sind der Hauptbestandteil von Kunststoffen und werden auch in vielen Alltagsprodukten wie Kosmetik, Körperpflege- oder Reinigungsmitteln verwendet.
In ihrem Entwurf für eine Registrierungspflicht schlägt die EU-Kommission vor, welche Polymere unter die Pflicht fallen und welche Registrierungsanforderungen für sie gelten sollten. Wie sie selber feststellt, seien „umfassende Informationen über die gefährlichen Eigenschaften“ von Polymeren „nicht ohne weiteres verfügbar.“ Sie gehe jedoch davon aus, dass etwa die Hälfte aller Polymere für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt gefährlich sein könnten. Trotzdem seien nur für 12.000 der geschätzten 200.000 Polymere auf dem Markt Sicherheitsüberprüfungen erforderlich, heißt es im Entwurf.
Eine Gruppe von Wissenschaftler*innen kritisiert diese Eingrenzung. In einem Statement erklären sie, dass die meisten Polymere, die in großen Mengen verwendet werden und „bedeutend zur Plastikkrise und der zunehmenden Verschmutzung durch Mikro- und Makroplastik beitragen“, in diesem Szenario nicht registriert werden müssen. So wären beispielsweise Polyethylen (PE), Polypropylen (PP), Polystyrol (PS), Polyvinylchlorid (PVC), Polyethylenterephthalat (PET) und Polyamid (PA)-Kunststoffe nicht davon betroffen. Dabei gebe es Hinweise darauf, dass PS und PVC sich negativ auf die menschliche Gesundheit auswirken und Organismen in der Umwelt in „mittel- bis hochgradig besorgniserregenden Mengen beeinträchtigen können.“ Um ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu gewährleisten, schlagen sie deshalb vor, alle Polymere in einem schrittweisen Verfahren zu registrieren und dabei mit denjenigen anzufangen, die in den größten Mengen hergestellt werden. Die Wissenschaftler*innen stellen zudem fest, dass die wissenschaftlichen Begründungen für die Kriterienauswahl der EU-Kommission „nicht immer eindeutig“ seien.
Auch das Europäische Umweltbüro (EEB) kritisierte den Entwurf der EU-Kommission in dieser Woche. Es wies darauf hin, dass „die bekannten Forderungen der Industrie dominieren“ und die Industrie nicht einmal dazu verpflichtet werde, grundlegende Informationen über die Identität oder Menge der von ihr verwendeten Polymere zu liefern. Dolores Romano, stellvertretende Leiterin des EEB für Chemikalien, erklärte: „Wir wissen bereits, dass Dutzende von Polymeren giftig sind, also muss es den Behörden erlaubt sein, die Sicherheit der anderen zu überprüfen. [...] Wir können es uns nicht leisten, dass sie unsere Augen vor einem wachsenden Problem für ein weiteres Jahrzehnt verschließen.“
Die EU-Kommission wird voraussichtlich Ende des Jahres ihren endgültigen Vorschlag für die Registrierung von Polymeren vorlegen. [km]
Pressemitteilung EEB: First laws to tackle serious polymer health threat being crippled
The Guardian: New EU rules would permit use of most polymers without checks, experts warn
Statement der Wissenschaftler*innen: Statement on the registration of polymers under REACH
Metamag (EEB): Toxic impact of widespread polymer pollution set to remain a mystery
Vorschlag der EU-Kommission zur Registrierungspflicht von Polymeren