Verschärfte Grenzwerte für POPs, Pestizidverkauf und Glyphosatausstieg

Müll: EU-Parlament möchte POP-Grenzwerte verschärfen:

Persistente organische Schadstoffe (POPs) sollen in Abfällen reduziert werden. Das hat das Europäische Parlament am Dienstag beschlossen. Es folgt damit der Entscheidung vom Umweltausschuss vom März.

Die Mitglieder des Europäischen Parlaments haben mit überwältigender Mehrheit dem Entwurf von Berichterstatter Martin Hojsík zugestimmt, der zwei Anhänge zur POP-Verordnung überarbeiten lassen möchte. So sollen die Grenzwerte, zum Teil schrittweise, sinken für: kurzkettige Chlorparaffine, für PFOA, PFHxS, PCDD/PCDF und für Hexabromcyclododecan (HBCDD) sowie für polybromierten Diphenylether (PBDE). Persistente organische Schadstoffe sind giftig für Menschen und Tiere, sind langlebig und können auch weit entfernt von ihrer Ursprungsquelle auftauchen.

EP möchte schärfere Grenzen als die Kommission

Das EP folgt mit der Annahme des Berichts dem Umweltausschuss, der sich bereits im März für die strengeren Grenzwerte ausgesprochen hatte. Der Kommissionsvorschlag dazu sieht teilweise weniger hohe Grenzen vor, beispielsweise bei HBCDD.

Während der Berichterstatter Hojsík die schärferen Grenzen als machbar und verantwortungsvoll bezeichnete, warnte die Vizepräsidentin der Kommission, Vera Jourovà, vor zu ambitionierten Schwellenwerten, die eine Einigung aller Beteiligten erschweren würde. Die Verhandlungen zwischen Rat und EP sollen Ende Mai stattfinden.

Laut Umweltinformationsdienst ENDS widersprach Hojsík deutlich laxeren Werten und betonte die Verantwortung gegenüber afrikanischen Ländern, in die tonnenweise Abfälle aus dem Westen verbracht werden: „Wir reden hier […] über einige der schlimmsten Chemikalien, die der Menschheit bekannt sind". Strengere Grenzwerte in Europa seien ein „,Licht am Ende des Tunnels für afrikanische Länder […], die mit der durch EU-Abfallexporte verursachten Verschmutzung zu kämpfen haben“.


Pestizidverkauf auf hohem Niveau

Der Absatz von Pestiziden in der Europäischen Union bleibt relativ stabil. Nach Angaben der europäischen Statistikbehörde Eurostat beläuft sich die jährlich verkaufte Gesamtmenge im Zeitraum von 2011 bis 2020 auf etwa 350.000 Tonnen. Im Vergleich zu 2011 ging der Pestizidabsatz im Jahr 2020 leicht zurück auf 346.000 Tonnen. Allerdings variiere der Verkauf jedes Jahr etwas, sodass kein klarer Trend abzuleiten sei.

Licht und Schatten

In ihrem Bericht hat das statistische Amt die Daten von 16 EU-Mitgliedstaaten ausgewertet. Dabei zeigt sich ein sehr unterschiedliches Ergebnis: In 11 der 16 untersuchten Mitgliedstaaten wurden geringere Mengen verkauft. Den deutlichsten Rückgang um mindestens 20 Prozent verzeichneten Tschechien, Portugal, Dänemark, Rumänien, Belgien und Irland. Deutlich höhere Verkäufe wurden hingegen für Österreich, mit einem Anstieg um 61 Prozent, und Lettland, mit einem Zuwachs um 77 Prozent, registriert. Für Deutschland wurde eine Erhöhung der verkauften Pestizide um 9 Prozent erfasst. Die Nachfrage nach „Fungiziden und Bakteriziden“ war mit 43 Prozent der Gesamtmenge am größten. Gefolgt von „Herbiziden, Kraut- und Moosvernichtungsmitteln" mit 35 Prozent und "Insektiziden und Akariziden" mit 14 Prozent. Die höchsten Verkaufsmengen der betrachteten Wirkstoffgruppen entfielen auf die größten Agrarproduzenten Europas – Frankreich, Spanien, Deutschland und Italien.      

Transparenz gefordert

Vergangene Woche forderte ein breites Bündnis von Umweltverbänden, Wasserversorgern und Wissenschaftler*innen in Deutschland eine Verbesserung der Transparenz beim Einsatz von Pestiziden. In einem offenen Brief an Bundesumweltministerin Steffi Lemke, Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach appellierten die Verfasser*innen für ein System zur Erfassung, Veröffentlichung und Auswertung der Pestizidanwendungen in der Landwirtschaft. Denn bisher wisse niemand wirklich, wie hoch der tatsächliche Pestizideinsatz auf den Agrarflächen in Deutschland sei.


Glyphosat-Verfahren verzögert

Am 10. Mai gaben die zuständigen EU-Behörden bekannt, die Risikobewertung von Glyphosat bis Mitte 2023 zu verschieben. Die aktuelle Zulassung des Herbizids läuft Ende 2022 aus.

Besonderes öffentliches Interesse

Als Grund für die Verzögerung geben die Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) eine besonders große Beteiligung im Rahmen der öffentlichen Konsultationen an. Die Behörden sprechen von einer beispiellosen Anzahl von eingegangenen Kommentaren und Beiträgen. Vor diesem Hintergrund haben die Behörden ihren Zeitplan für die nächsten Schritte des Bewertungsverfahrens angepasst. Mit einer abschließenden Einschätzung kann nun im Juli 2023 gerechnet werden.

Verlängerung durch die Hintertür?

Das europäische Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN Europe) kritisiert die Verzögerung scharf: „Die EFSA hat genügend Beweise erhalten, um schnell eine Erklärung über das unannehmbare Risiko für die Gesundheit der Menschen und die Umwelt abzugeben. Die unabhängige Wissenschaft ist eindeutig: Glyphosat ist genotoxisch, wahrscheinlich krebserregend und hat inakzeptable negative Auswirkungen auf die Umwelt“, so Gergely Simon, Chemiereferent von PAN Europe. Das Aktions-Netzwerk vermutet, dass EU-Kommission und Mitgliedstaaten nun versuchen könnten, eine einjährige Verlängerung der Zulassung zu beschließen. Laut EU-Infodienst EURACTIV äußerte sich auch die EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides „zutiefst besorgt darüber, dass sich die Bewertung von Glyphosat verzögert.“  

Glyphosat ist der weltweit am häufigsten eingesetzte Herbizidwirkstoff. EFSA und ECHA sind beauftragt, die Risiken des Pestizids für die menschliche Gesundheit und hinsichtlich seiner Umweltwirkungen zu bewerten. Ursprünglich sollte die Beurteilung im Laufe dieses Sommers veröffentlicht werden. Die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten sollten daraufhin bis Ende 2022 über die Verlängerung der Zulassung entscheiden.

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