EU Green Deal: von „genderblind“ zu „gender-transformativer“ Umweltpolitik
Eine Übernahme von EU-Umweltnews
Die Nichtregierungsorganisationen Europäisches Umweltbüro (EEB) und „Women Engage for a Common Future“ (WECF) haben in einem Bericht den Zusammenhang zwischen Geschlechtergleichstellung und Umweltpolitik in der EU untersucht.
Mobilität, Ernährung, Energie und Chemikalien – geschlechtsspezifische Unterschiede
Der am vergangenen Freitag erschienene Bericht stellt fest, dass Umweltauswirkungen geschlechtsspezifisch sind. So verursachten Männer im Durchschnitt 8 bis 40 Prozent mehr Treibhausgasemissionen als Frauen. Dieser Unterschied lasse sich vor allem auf ihr Mobilitäts- und Ernährungsverhalten zurückführen. Frauen entschieden sich tendenziell häufiger für nachhaltigere Mobilitätsformen und hätten andere Reisemuster mit kürzeren und häufigeren Fahrten, während die öffentlichen Verkehrsmittel oft auf den direkten Arbeitsweg von Männern ausgerichtet seien.
Da die Wirtschaftskraft der Analyse zufolge immer noch ungleich verteilt ist, sind Frauen überproportional von Energiearmut betroffen. Von Frauen geführte Haushalte hätten „möglicherweise weniger Ressourcen“ zur Verfügung, um in nachhaltige Lösungen zu investieren.
Aufgrund sozialer Normen, Schönheitsstandards, geschlechtsspezifischer Berufe und biologischer Faktoren seien Frauen außerdem stärker von Chemikalien betroffen, die beispielsweise in Kosmetika oder Reinigungsprodukten enthalten sind.
Ein weiteres Ergebnis: Die Umweltpolitik sei „weit davon entfernt“, gleichberechtigt oder inklusiv zu sein, was die Unterrepräsentation von Frauen in politischen Entscheidungsprozessen widerspiegele. So sind zum Beispiel die Abgeordneten, die in Umweltausschüssen sitzen, immer noch mehrheitlich männlich, und 70 Prozent der Umweltminister*innen in den EU-Mitgliedstaaten seien aktuell Männer.
Wiederum sehen sich Frauen mit unterschiedlichem Ausmaß an Marginalisierung, zum Beispiel rassifizierte Frauen, junge Frauen, Frauen mit Behinderungen und nicht geschlechtskonforme Menschen, zusätzlich einer intersektionellen Diskriminierung gegenüber. Sie sind anfälliger für Umweltprobleme und die Auswirkungen des Klimawandels und laufen Gefahr, bei der grünen Transformation zurückgelassen zu werden. Stereotype, eine sexistische und gewalttätige Arbeitskultur und struktureller Rassismus gehören zu den erklärenden Faktoren, heißt es im Bericht weiter.
Empfehlungen für gender-transformative Umweltpolitik
Die Gleichstellung der Geschlechter sollte in die Ziele der Umweltpolitik integriert werden, was eine Voraussetzung für politische Kohärenz ist, da sowohl die Umwelt als auch die Gleichstellung der Geschlechter Querschnittscharakter haben und die europäischen Verträge Gender Mainstreaming vorsehen.
Die EU müsse die vorherrschenden Systeme der Unterdrückung in Frage stellen und soziale, wirtschaftliche und politische Normen neu definieren, die für alle Menschen und den Planeten funktionieren. Die ökologische und soziale Krise, einschließlich der erschütternden Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern, mit denen wir in Europa und weltweit konfrontiert sind, haben ihre Wurzeln im Kapitalismus, im Patriarchat und im Rassismus.
Außerdem müsse die EU nach Ansicht der Autor*innen ein sogenanntes intersektionales Framing in der Umweltpolitik anwenden. Damit solle analysiert werden, wie sich soziale Merkmale überschneiden und zu Diskriminierungen führen. Ebenso müssten die strukturellen, historischen und institutionellen Ursachen solcher Diskriminierungen beleuchtet werden. Exemplarisch nennt der Bericht quecksilberhaltige Cremes zur Aufhellung der Haut. Es müsse der Kolorismus abgebaut werden, also der Prozess, durch den Frauen mit dunkleren Hauttönen mehr unter Rassismus litten als Frauen mit heller Hautfarbe [AW].