Mitglieder des Europäischen Parlaments fordern Exportstopp für gefährliche Pestizide

In einer gemeinsamen Erklärung fordern 69 Europaabgeordnete aus sechs der sieben Fraktionen des Europäischen Parlaments sowie Fraktionslose ein Exportverbot für Pestizide, die in der EU verboten sind. Zusätzlich fordern sie den Stopp von Einfuhren von Lebensmitteln, die unter Einsatz dieser gefährlichen Chemikalien produziert wurden.

Wir dokumentieren die Erklärung hier im Wortlaut.

Quelle: https://www.annacavazzini.eu/wp-content/uploads/GEMEINSAME-ERKLARUNG-von-Mitgliede-rn-des-Europaeischen-Parlaments.pdf

GEMEINSAME ERKLÄRUNG von Mitgliedern des Europäischen Parlaments zu den Doppelstandards des EU-Ansatzes zu gefährlichen Pestiziden

Brüssel, 11. November 2020

Wir, die unterzeichnenden Mitglieder des Europäischen Parlaments (MdEPs), fordern die Europäische Kommission auf, den Export von Pestiziden, die in der EU aufgrund ihrer schädlichen Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt verboten sind, zu verbieten. Zusätzlich fordern wir den Stopp der Einfuhr von Lebensmitteln, die außerhalb der EU unter Verwendung dieser gefährlichen Chemikalien hergestellt wurden.

Die EU verfügt über einige der strengsten Pestizidgesetze der Welt und hat bereits viele Pestizide, die erwiesenermaßen ernsthafte Schäden für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt verursachen, verboten oder deren Verwendung stark eingeschränkt. Es steht Unternehmen jedoch weiterhin frei, diese gefährlichen Produkte zur Verwendung in Nicht-EU-Ländern zu exportieren. Die EU erlaubt außerdem auch die Einfuhr von landwirtschaftlichen Erzeugnissen, die mit in Europa verbotenen Pestiziden hergestellt wurden.

Exporte von Pestiziden, die für die Verwendung in der EU zu gefährlich sind

Wie jüngste Untersuchungen zeigen, genehmigten die EU-Länder im Jahr 2018 den Export von mehr als 81.000 Tonnen Pestizidprodukten, die Chemikalien enthalten, die für die Verwendung auf ihren eigenen Feldern verboten sind. Nicht weniger als 41 Chemikalien, die für die Verwendung in der EU als zu gefährlich gelten, wurden im selben Jahr für den Export gemeldet. Die meisten Exporte gingen in ärmere Länder wie Südafrika, die Ukraine und Brasilien. Experten warnen, dass der Einsatz gefährlicher Pestizide in diesen Ländern noch größere Risiken birgt, weil die Anwendungsbedingungen (z.B. Schutzausrüstung, Sprühen aus der Luft) weniger streng sind als in der EU.

Wir sind zutiefst besorgt darüber, dass große Mengen extrem toxischer Pestizide in Länder exportiert werden, die nicht über die Kapazitäten verfügen, deren Risiken zu kontrollieren, und in denen ihr Einsatz zu weit verbreiteten Menschenrechtsverletzungen und schweren Umweltschäden führt. Die Kontrollmechanismen der UNO zu Menschenrechtenberichteten kürzlich über Verletzungen und Verstöße gegen die Menschenrechte in vielen der Länder, in die Pestizide aus der EU exportiert werden. In Brasilien zum Beispiel stellte der UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte und gefährliche Stoffe und Abfälle "schwere Menschenrechtsverletzungen" im Zusammenhang mit dem Einsatz von Pestiziden fest. Er warnte, das Land befinde sich auf einem "steilen Weg des Rückschritts" und steuere auf "eine zunehmend toxische Zukunft" zu.

Import von Lebensmitteln, die mit verbotenen Pestiziden hergestellt wurden

Die größten Importeure von in der EU verbotenen Pestiziden sind genau die Länder, aus denen die EU den größten Teil ihrer Agrarimporte bezieht. Wie ein tödlicher Bumerang können diese Pestizide ihren Weg zurück in die EU und auf die Teller der europäischen Verbraucher finden, deren Gesundheit doch eigentlich durch die EU-Pestizidgesetze geschützt werden soll.

Das offizielle Programm der Mitgliedstaaten zur Überwachung von Lebensmittelrückständen zeigt, dass im Jahr 2018 74 verschiedene Pestizide, deren Verwendung in der EU verboten ist, auf in der EU verkauften Lebensmitteln nachgewiesen wurden. 22 davon wurden in diesem Jahr auch für den Export gemeldet. Die Lebensmittel, in denen am häufigsten die meisten Rückstände verbotener Pestizide festgestellt wurden, kamen aus China, Indien, Thailand, Brasilien, Vietnam und Marokko.

Während Rückstände verbotener Pestizide in EU-Lebensmitteln grundsätzlich nicht akzeptiert werden, werden die Werte für Maximale Rückstandshöchstmengen (MRL-Werte) für verbotene Pestizide nicht unbedingt gestrichen. Beispielsweise wurden die MRL-Werte für mutagenes Carbendazim nicht gestrichen, und die MRL-Werte für Chlorfenapyr oder Omethoat für bestimmte Produkte bleiben bestehen. Darüber hinaus hindert die MRL-Verordnung die Länder nicht daran, selbst für verbotene Pestizide eine Importtoleranz zu beantragen. Dies ist der Fall für Propargit, für das eine Importtoleranz beantragt wurde, nachdem das Pestizid in Europa verboten wurde.

Es besorgt uns sehr, dass die Einfuhr von Lebensmitteln, die mit in der EU verbotenen Pestiziden behandelt wurden, die Gesundheit der Verbraucher gefährden, einen unlauteren Wettbewerb für die europäischen Landwirte darstellen und die Bevölkerung und die Umwelt der Länder, in denen die Lebensmittel hergestellt werden, negativ beeinflussen.

Politische Lösungen

Im Mai dieses Jahres brachte die Europäische Union ihre "Farm to Fork"-Strategieheraus, in der sie sich zur Förderung eines globalen Übergangs zu nachhaltigen Lebensmittelsystemen "nicht nur innerhalb ihrer Grenzen, sondern auch außerhalb" verpflichtet. Angesichts dieses Ziels kann die EU nicht länger die Augen vor dem Export von Pestiziden verschließen, die als zu gefährlich für den Einsatz innerhalb ihrer Grenzen gelten.

Daher nehmen wir zur Kenntnis, dass die Europäische Kommission im Rahmen ihrer im Oktober veröffentlichten Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit versprochen hat, "sicherzustellen, dass gefährliche Chemikalien, die in der Europäischen Union verboten sind, nicht für den Export produziert werden". Diese Verpflichtung muss sich auch auf gefährliche Pestizide beziehen.

Um die öffentliche Gesundheit und die Umwelt zu schützen und die Ziele des Europäischen Grünen Deals zu erreichen, fordern wir die Europäische Kommission auf, den Export von Pestiziden zu verbieten, deren Verwendung in der EU verboten ist, so wie es beispielsweise neulich in einer Entscheidung Frankreichs geschehen ist und wie dies von drei Dutzend UN-Menschenrechtsexperten in einer im Juli veröffentlichten gemeinsamen Erklärung gefordert wurde. Was für den Einsatz in der EU zu gefährlich ist, ist auch für den Einsatz in anderen Ländern zu gefährlich.

Wir begrüßen auch die Zusage, dass die EU „alle ihre Instrumente der Diplomatie, Handelspolitik und Entwicklungsunterstützung einsetzen wird, um das Auslaufen des Einsatzes von in der EU nicht mehr zugelassenen Pestiziden so weit wie möglich zu fördern sowie risikoarme Substanzen und Alternativen zu Pestiziden weltweit “. Wir fordern, dass die EU auf einen umfassenden, verbindlichen internationalen Vertrag hinarbeitet, um gefährliche Pestizide während ihres gesamten Lebenszyklus unter Berücksichtigung der von UN-Experten empfohlenen Menschenrechtsgrundsätze zu regulieren.

Unterzeichnet und gebilligt von folgenden Mitgliedern des Europäischen Parlaments
(Anm. d. Red.: Stand 11.11.2020):

1. Eric Andrieu (Progressive Allianz der Sozialdemokraten, S&D), 2. Anja Hazekamp (Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke, GUE/NGL), 3. Michèle Rivasi (Die Grünen/Europäische Freie Allianz, Grüne/EFA), 4. Sylvie GUILLAUME (S&D), 5. Leila CHAIBI (GUE/NGL), 6. Nora MEBAREK (S&D), 7. Emmanuel MAUREL (GUE/NGL), 8. Benoit BITEAU (Grüne/EFA), 9. Caroline ROOSE (Grüne/EFA), 10. Francisco GUERREIRO (Grüne/EFA), 11. Aurore LALUCQ (S&D), 12. Marie ARENA (S&D), 13. Manon AUBRY (GUE/NGL), 14. Manuel BOMPARD (GUE/NGL), 15. Christel SCHLDOMOSE (S&D), 16. Younous OMARJEE (GUE/NGL), 17. Margrete AUKEN (Grüne/EFA), 18. Grace O'SULLIVAN (Grüne/EFA), 19. Dorien ROOKMAKER (fraktionslos), 20. Dimitrios PAPADIMOULIS (GUE/NGL), 21. Piernicola PEDICINI (fraktionslos), 22. Claude GRUFFAT (Grüne/EFA), 23. Pierrette HERZBERGER-FOFANA (Grüne/EFA), 24. Mounir SATOURI (Grüne/EFA), 25. Helmut SCHOLZ (GUE/NGL), 26. Pär HOLMGREN (Grüne/EFA), 27. Jakop DALUNDE (Grüne/EFA), 28. Alice KUHNKE (Grüne/EFA), 29. Milan BRGLEZ (S&D), 30. Raphaël GLUCKSMANN (S&D), 31. Irene TOLLERET (Renew Europe), 32. Bas EICKHOUT (Grüne/EFA), 33. Pierre LARROUTUROU (S&D), 34. Thomas WAITZ (Grüne/EFA), 35. Damien CAREME (Grüne/EFA), 36. Marc TARABELLA (S&D), 37. Ignazio CORRAO (fraktionslos), 38. Sarah WIENER (Grüne/EFA), 39. Mick WALLACE (GUE/NGL), 40. Martin HÄUSLING (Grüne/EFA), 41. Andreas SCHIEDER (S&D), 42. Eleonora EVI (fraktionslos), 43. Guenther SIDL (S&D), 44. Anna CAVAZZINI (Grüne/EFA), 45. Ignazio CORRAO (fraktionslos), 46. Manuela RIPA (Grüne/EFA), 47. Mohammed CHAHIM (S&D), 48. Petros KOKKALIS (GUE/NGL), 49. Ivo HRISTOV (S&D), 50. Helmut GEUKING (Europäische Konservative und Reformer, ECR), 51. Tudor CIUHODARU (S&D), 52. Karima DELLI (Grüne/EFA), 53. Alex AGIUS SALIBA (S&D), 54. Martin BUSCHMANN (fraktionslos), 55. Rosa D'AMATO (fraktionslos), 56. Nikolaj VILLUMSEN (GUE/NGL), 57. Pascale DURAND (Renew), 58. Anna DEPARNAY-GRUNENBERG (Grüne/EFA), 59. Benoit LUTGEN (Europäischen Volkspartei, EVP), 60. Antoni COMIN I OLIVERES (fraktionslos), 61. Ivan Vilibor SINČIĆ (fraktionslos), 62. Kira Marie PETER-HANSEN (Grüne/EFA), 63. Tilly METZ (Verts/ALE), 64. Martin HOJSÍK (Renew), 65. Saskia BRICMONT (Grüne/EFA), 66. Jutta PAULUS (Grüne/EFA), 67. Marie TOUSSAINT (Grüne/EFA), 68. Frédérique RIES (Renew), 69. Sven GIEGOLD (Grüne/EFA).

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Opposition fordert Stopp gefährlicher Exporte von Pestiziden