Gefährliche Pestizide von Bayer und BASF im globalen Süden
Eine neue Studie dokumentiert Auswirkungen der Doppelstandards in der Pestizidvermarktung auf Betroffene in Brasilien und Südafrika.
Dieser Artikel erschien zuerst im Rundbrief Forum Umwelt und Entwicklung 2/2020.
Die deutschen Agrarchemieriesen Bayer und BASF vermarkten im globalen Süden zahlreiche Pestizidwirkstoffe, die in der EU keine Genehmigung haben. Ein Viertel dieser in der EU nicht genehmigten Pestizidwirkstoffe, die beide Konzerne in Brasilien und Südafrika über die eigene Marke vertreiben, sind sogar aufgrund von Umwelt- und Gesundheitsrisiken explizit verboten. Dieses globale Geschäft mit Doppelstandards hat weitreichende Folgen für indigene Gruppen in Brasilien und LandarbeiterInnen auf Zitrusplantagen in Südafrika. Das zeigt eine neue Studie, die Inkota, die Rosa-Luxemburg-Stiftung und Misereor gemeinsam mit Partnerorganisationen in Südafrika und Brasilien Ende April veröffentlicht haben.
Kopfschmerzen, Fieber, Halsschmerzen und Durchfall. Diese Symptome beschrieben die BewohnerInnen des Dorfes Tey Jusu im brasilianischen Bundesstaat Mato Grosso do Sul, nachdem per Flugzeug das Fungizid ‚Nativo‘ von Bayer in unmittelbarer Nähe zu den provisorischen Unterkünften der indigenen Gemeinschaft ausgebracht wurde. Die Hauptbestandteile des Pestizids, Trifloxystrobin und Tebuconazol, sind zwar in der Europäischen Union (EU) genehmigt, aber der Fall, in dem ein Landwirt, ein Pilot und eine Vertragsfirma für Sprühflugzeuge im Januar 2020 zu einer Entschädigungszahlung verpflichtet wurden, zeigt eindrücklich, dass Konzerne wie Bayer keineswegs von einer „sicheren Anwendung“ ihrer Produkte ausgehen können. Denn eine sachgemäße Anwendung ist vor allem in Armutskontexten im globalen Süden schwer umsetzbar. So können sich Kleinbäuerinnen und -bauern die notwendige Schutzausrüstung oft nicht leisten. Nicht selten wohnen sie direkt an ihrem Feld und können somit keine Sicherheitsabstände einhalten. LandarbeiterInnen, die in vielerlei Hinsicht mit massiven Arbeitsrechtsverletzungen zu kämpfen haben, bekommen die nötige Schutzkleidung häufig nicht zur Verfügung gestellt. Und AnwohnerInnen wie etwa die indigene Gemeinde Tey Jusu haben noch weniger Einfluss auf die Anwendung von Pestiziden auf einer benachbarten Farm.
Bayer und BASF vermarkten in der EU ausdrücklich verbotene Wirkstoffe
Noch deutlicher wird die Verantwortung der Pestizidhersteller bei der Vermarktung von Pestizidwirkstoffen, die auf EU-Ebene geprüft und aufgrund von Umwelt- und Gesundheitsrisiken nicht genehmigt wurden. Bislang haben Konzerne wie Bayer und BASF stets argumentiert, „nicht genehmigt“ hieße noch lange nicht „verboten“. So würden bestimmte Wirkstoffe, die für die europäische Landwirtschaft aufgrund unterschiedlicher klimatischer Bedingungen oder unterschiedlicher Schädlinge uninteressant seien, gar nicht erst zur Prüfung angemeldet. Manchmal würden Genehmigungen nach Auslaufen auch einfach nicht verlängert. Dass „nicht genehmigt“ nicht gleich „verboten“ ist, ist zwar richtig. Aber abgesehen davon, dass Wirkstoffe auch deshalb nicht zur Prüfung auf EU-Ebene angemeldet werden, weil ein Misserfolg angesichts der vergleichsweise strengen Kriterien antizipiert wird, zeigt die neue Studie, dass von den 28 in der EU nicht genehmigten Wirkstoffen, die in Brasilien und Südafrika vermarktet werden, sieben explizit verboten sind. Das sind Cyanamid und Flufenoxuron von BASF sowie Carbofuran, Fenamidon, Propineb, Thiodicarb und Thiram von Bayer. Außerdem befinden sich 14 Wirkstoffe, also die Hälfte der nicht genehmigten Wirkstoffe, auf der Liste der hochgefährlichen Pestizide (highly hazardous pesticides, HHP) des Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN). Es ist davon auszugehen, dass Konzerne wie Bayer und BASF auch jenseits ihrer eigenen Markenprodukte reine Wirkstoffe in Länder wie Brasilien und Südafrika exportieren, die dann vor Ort von heimischen Unternehmen zu Pestizidformulierungen und -produkten verarbeitet werden. Denn zumindest für Südafrika wissen wir, dass 100 Prozent der Pestizidwirkstoffe importiert werden. Doch diese Ebene der Wirkstoffex- und -importe ist sehr intransparent. So gibt es keine öffentlich zugänglichen Quellen, die dokumentieren, welches Unternehmen welche Wirkstoffe in welches Land exportiert. Auch die Frage, wo Bayer und BASF ihre Wirkstoffe herstellen, bleibt in der Regel ein Geschäftsgeheimnis. Immerhin gab Bayer-Chef Baumann bei der jüngsten Hauptversammlung preis, dass Bayer in Brasilien nur Glyphosat herstellt. Daraus können wir also schließen, dass alle weiteren Bayer-Wirkstoffe importiert werden.
Ein lukratives Geschäft
Die Vermarktung von hochgefährlichen Pestiziden gehört zum Kerngeschäft von Bayer und BASF. Laut Marktanalysen der Firma Phillips McDougall, die 40 Prozent des Weltmarktes abdecken, werden 60 Prozent der Umsätze, die die fünf größten Pestizidkonzerne – darunter Bayer und BASF – mit hochgefährlichen Pestiziden machen, in so genannten Entwicklungs- und Schwellenländern erwirtschaftet. Gemäß der Datenbank machte Bayer 2018 36,7 Prozent seiner Umsätze weltweit mit hochgefährlichen Pestiziden, BASF immerhin 24,9 Prozent.[i] Und dabei geht es tatsächlich um Milliardensummen: Seit der Monsanto-Übernahme – und damit auch der Übernahme des meistverkauften Unkrautvernichters der Welt, Glyphosat – ist Bayer der weltweit zweitgrößte Pestizidhersteller und erwirtschaftete 2018 einen Umsatz von 10,6 Milliarden US-Dollar. Nachdem Bayer durch die Fusion mit Monsanto einzelne Geschäftssparten an BASF abtreten musste, folgt nun BASF auf Platz drei und wies 2018 einen Jahresumsatz von 6,9 Milliarden US-Dollar aus. Und auch wenn das Bewusstsein über die Schädlichkeit des enormen Pestizideinsatzes unter vielen VerbraucherInnen sowie PolitikerInnen zu steigen scheint, schlägt sich das nicht am globalen Pestizidmarkt nieder: So ist der globale Pestizideinsatz in den zwanzig Jahren zwischen 1997 und 2017 von 2,9 auf 4,1 Millionen Tonnen gestiegen, während sich der Umsatz durch den globalen Handel mit Pestiziden sogar von 10,8 auf 34,4 Milliarden US-Dollar mehr als verdreifacht hat.
Bayer und BASF in der Defensive
Natürlich waren Bayer und BASF über die Ergebnisse der Studie nicht sonderlich begeistert. Neben dem Vorwurf von Bayer, man solle doch besser „miteinander reden statt übereinander“, haben beide Konzerne noch einmal versichert, dass es gar kein Problem mit Doppelstandards gebe und sie sich mit ihren Produktangeboten lediglich an die Bedingungen vor Ort anpassen und auch stets die Sicherheitsstandards des jeweiligen Landes einhalten würden. Bayer wies außerdem darauf hin, dass der Konzern bereits keinerlei Produkte mehr verkaufe, die aufgrund ihrer Zusammensetzung von der Weltgesundheitsorganisation als „hochgefährlich“ oder gar „extrem gefährlich“ eingestuft werden. Wer aber eine Stellungnahme von Bayer aus dem Februar dieses Jahres aufmerksam gelesen hat, weiß, dass sich in Bayers Portfolio trotzdem noch Pestizidwirkstoffe finden, die unter diese Kategorien fallen. Damit hinkt der Konzern seiner eigenen Selbstverpflichtung hinterher, anstatt mit gutem Beispiel voranzugehen. Und auch von einem im vergangenen Sommer angekündigten Prozess zur Verbesserung der Sicherheitsstandards in der globalen Pestizidvermarktung, auf den Bayer nun erneut hinwies, liegen bislang keinerlei Ergebnisse auf dem Tisch. Nur ein Zugeständnis machte Bayer-Chef Baumann auf der ersten Online-Hauptversammlung am 28. April 2020: Zum Ende des Jahres solle die Produktion von Carbendazim – ein von Bayer unter anderem in Brasilien vermarkteter Wirkstoff ohne EU-Genehmigung – eingestellt werden.
Politische Regulierungen müssen her
Unsere Partner in Brasilien, die Campanha Permanente Contra os Agrotóxicos e Pela Vida, haben längst aufgegeben, die Unternehmen selbst zur Vernunft bringen zu wollen und auf freiwillige Maßnahmen der Hersteller zu setzen. Doch auch die Hoffnung auf ein Eingreifen seitens ihrer eigenen Regierung unter dem ultrarechten Präsidenten Bolsonaro haben sie verloren. Laut dem Koordinator der Kampagne, Alan Tygel, ist daher die Kooperation mit Nichtregierungsorganisationen in Deutschland so wichtig, damit diese Druck auf die Bundesregierung aufbauen, den beiden deutschen Konzernen einen Riegel vorzuschieben. Und genau das machen wir. Neben der Forderung nach einem Lieferkettengesetz, das Bayer und BASF zur Einhaltung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten verpflichten würde, fordern wir die Bundesregierung auf, den Export von in der EU verbotenen Pestizidwirkstoffen aus Deutschland zu verbieten. Ein erster, schnell umsetzbarer Schritt dahin wäre eine Verordnung des Bundeslandwirtschaftsministeriums auf Basis des Pflanzenschutzmittelgesetzes, in dem diese Option einer Verordnung bereits formuliert ist. Doch mittelfristig führt kein Weg vorbei an einem globalen Verbot hochgefährlicher Pestizide gemäß PAN-Definition. Hierfür muss sich die Bundesregierung auf EU-Ebene sowie in internationalen Gremien einsetzen; auch auf der nächsten Internationalen Konferenz zum Chemikalienmanagement (ICCM), die im Juli 2021 unter deutscher Präsidentschaft in Bonn stattfinden soll. Nur so kann langfristig die Umwelt sowie die Gesundheit von ArbeiterInnen, Bauern und Bäuerinnen, AnwohnerInnen und VerbraucherInnen weltweit effektiv geschützt werden.
Lena Luig
Die Autorin ist Referentin für Welternährung und globale Landwirtschaft bei INKOTA.
[i] Siehe Public Eye/Greenpeace Unearthed (2020): Milliarden-Umsätze mit Pestiziden, die krebserregend sind oder Bienen vergiften. https://www.publiceye.ch/de/themen/pestizide/agrochemiekonzerne-machen-milliarden-mit-krebserregenden-pestiziden-oder-bienen-killern.