Ewigkeitschemikalien PFAS im Blut: Das „neue Asbest“?

Eine Übernahme der EU-Umweltnews des DNR:

Die Umweltgruppe ChemSec hat die Chemieindustrie aufgefordert, aus der Produktion von extrem langlebigen Per- und polyfluorierten Alkylverbindungen (PFAS) auszusteigen. Dies unterstütze auch eine billionenschwere Investorengruppe. Das Europäische Umweltbüro fordert flächendeckende neue Grenzwerte und ein PFAS-Verbot. Die EU-Chemikalienbehörde ECHA muss 5.600 Antworten auf die öffentliche Konsulation bearbeiten.

Die Gesundheits-, Umwelt- und Finanzrisiken der „Ewigkeitschemikalien“ PFAS

Die Investor Initiative on Hazardous Chemicals (IIHC), hinter der ein Vermögen von über 10 Billionen Dollar stehe, habe die Vorstandsvorsitzenden der 50 größten börsennotierten Chemieunternehmen der Welt angeschrieben und vor „großen Haftungs- und Versicherungsrisiken“ gewarnt, denen Hersteller und Anwender von PFAS-Chemikalien ausgesetzt seien. Dies erinnere an die Risiken, die in der Vergangenheit mit Asbest verbunden waren, heißt es in dem Schreiben. Damit könne ein Festhalten an PFAS „den langfristigen Wert der an der Herstellung und dem Verkauf dieser Chemikalien beteiligten Unternehmen erheblich beeinträchtigen“, zitiert ChemSec.

Bestimmte PFAS aus der mehrere Tausend Substanzen umfassenden Gruppe sind für Menschen und Tiere toxisch und stehen im Verdacht, Krebs sowie zahlreiche andere gesundheitliche Auswirkungen zu verursachen. Die Gefahren von PFAS seien wie bei Asbest ebenfalls früh erkannt worden, mahnt die in Schweden ansässige Umweltorganisation ChemSec. Dennoch sei die Produktion heute so hoch wie nie zuvor – ebenso wie die dagegen anlaufende Klagewelle. US-Unternehmen sähen sich mit einer Flut von Klagen konfrontiert, wobei die Beklagten nicht nur Hersteller, sondern auch Anwender von PFAS in der Automobil-, Lebensmittel-, Textil-, Kosmetik- und Papierbranche seien. In Europa habe 3M im vergangenen Jahr einen Vergleich in Höhe von 500 Millionen Euro geschlossen, doch in den Niederlanden und Belgien seien neue Klagen anhängig. Sowohl die US-Bundesstaaten als auch die Europäische Union arbeiteten an einem PFAS-Verbot. ChemSec zitiert Studienergebnisse, wonach allein die Kosten für die Entfernung von PFAS aus dem Trinkwasser in den Vereinigten Staaten zwischen 64,5 und 248 Milliarden US-Dollar lägen. Die vollständigen Sanierungskosten könnten sogar 400 Milliarden US-Dollar übersteigen.

EEB fordert Ende des Flickenteppichs bei PFAS-Grenzwerten und Einführung des Verursacherprinzips

Das Europäische Umweltbüro (EEB) hatte Mitte Oktober mit einem Briefing-Papier das Ergebnis umfangreicher Forschungsarbeiten über die Verschmutzung durch PFAS in 20 europäischen Ländern vorgelegt. Besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf den Auswirkungen dieser Stoffe in Trinkwasser und Lebensmitteln. Zwar hatte die 2020 aktualisierte Trinkwasserrichtlinie Grenzwerte für PFAS im Leitungswasser festgelegt, allerdings spiegeln diese nicht die jüngste Empfehlung der EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zur maximalen Aufnahme von vier PFAS, die sich im Körper anreichern, über Lebensmittel und Getränke wider. Mehrere EU-Länder haben ihre nationalen Trinkwasservorschriften und -empfehlungen inzwischen auf die EFSA-Empfehlungen gestützt, was zu einem Flickenteppich nationaler Ansätze für den Umgang mit PFAS im Trinkwasser in Europa geführt habe, so das EEB. Die Organisation fordert die Einstellung der Herstellung und Verwendung von PFAS und strenge EU-weite Grenzwerte für Oberflächen- und Grundwasser. Außerdem sollten die Trinkwassernormen auf den neuesten Stand der Wissenschaft gebracht werden. Um die Kosten für die Sanierung, Behandlung und Überwachung im Zusammenhang mit der PFAS-Verschmutzung zu decken, müsse das Verursacherprinzip gelten, so das EEB.

ECHA kämpft mit über 5.600 Antworten auf Konsultation zum PFAS-Verbot

Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) hat bis 25. September über 5.600 Antworten verschiedener Interessengruppen auf die öffentliche Konsultation zum vorgeschlagenen PFAS-Gruppen-Verbot erhalten, darunter eine Stellungnahme von ChemSec mit zahlreichen Unterstützern. Demnach sei die vorgeschlagene Beschränkung von PFAS „der beste Weg“, um die Verwendung von PFAS auf effiziente und rechtlich vorhersehbare Weise auslaufen zu lassen. Eine Gesetzgebung, die alle PFAS in allen Verwendungszwecken abdeckt, sei der effektivste Weg, dies zu gewährleisten.

ChemSec hatte im September Blutproben von EU-Abgeordneten genommen, um diese auf ihren PFAS-Gehalt zu testen. Denn 99 Prozent aller Menschen hätten inzwischen nachweisbare Mengen von diesen langzeitgiftigen Chemikalien im Blut. Die Frage sei nur, wie viel. Im letzten Jahr hatten sich ChemSec-Mitarbeiter*innen getestet mit dem Ergebnis, dass neun von zwölf Blutproben Werte über dem empfohlenen Sicherheitsniveau aufwiesen. Die Ergebnisse der parlamentarischen Blutproben seien innerhalb weniger Wochen zu erwarten.

Das PFAS-Gruppenverbot war von Deutschland, den Niederlanden, Dänemark, Norwegen und Schweden bei der ECHA eingebracht worden (EU-News 18.01.2023), die Konsultation lief von März bis September. Nun haben die ECHA-Ausschüsse (RAC und SEAC) insgesamt 12 Monate Zeit für eine Stellungnahme (Timeline). [jg]

Zurück
Zurück

5-Punkte-Plan der Bundesregierung zum Schutz vor hormonschädlichen Stoffen

Weiter
Weiter

NGOs fechten Wiederzulassung von Glyphosat vor EU-Gericht an