5-Punkte-Plan der Bundesregierung zum Schutz vor hormonschädlichen Stoffen
Eine Übernahme von PAN-Germany
In ihrem Koalitionsvertrag versprach die Ampelkoalition einen „nationalen Plan zum Schutz vor hormonaktiven Substanzen“. Eine zentrale Forderung von PAN Germany, WECF, HEJSupport und weiterer Unterstützergruppen war zuvor die Entwicklung eines nationalen Aktionsplans.
Nach mehr als zwei Jahren und einer langen Phase an Ressortabstimmungen, wurde nun der „FÜNF-PUNKTE-PLAN DER BUNDESREGIERUNG ZUM SCHUTZ VOR HORMONELL SCHÄDIGENDEN STOFFEN“ vorgelegt. „Mit unserem Fünf-Punkte-Plan bündeln wir Maßnahmen und Ziele, um über hormonell schädigende Stoffe breiter zu informieren und Menschen und Umwelt besser vor diesen Stoffen zu schützen“, so die Bundesumweltministerin Steffi Lemke in der Ankündigung am 15. November 2023.
PAN Germany begrüßt den Plan als notwendigen Schritt in die richtige Richtung. Erstmals sollen in Deutschland verschiedene Ressorts, darunter die Stoffregulierung, die Verbraucheraufklärung, die internationale Zusammenarbeit und die Forschungsförderung, zusammenwirken und unterschiedliche Akteur*innen in einen Austausch treten, um zu erreichen, dass „zukünftig deutlich weniger Gehalte hormonell schädigender Stoffe in Mensch und Umwelt auftreten“.
Die Bundesregierung will dafür:
die Regulierung von hormonell schädigenden Stoffen weiter ausbauen,
Bürgerinnen und Bürger besser über die bestehenden Risiken, wie auch die bereits getroffenen Vorkehrungen zum Schutz der Gesundheit informieren,
das gemeinsame Handeln fördern und den Vollzug (der Produktüberwachung) stärken,
den Wissensstand im Bereich der hormonell schädigenden Stoffe weiterentwickeln und
die internationale Zusammenarbeit stärken.
So positiv es ist, dass mit dem Plan nun endlich ein Augenmerk auf das Problemfeld hormonschädlicher Substanzen gerichtet wird, so enttäuschend ist die zurückhaltende und allgemeingehaltene Ausgestaltung des Papiers. Der 5-Punkte-Plan setzt eher einen beschreibenden Rahmen, den es nun mit Leben, mit konkreten Maßnahmen, Zielen und Zeitplänen zu füllen gilt. Denn ohne wirksame und messbare Maßnahmen, die Exposition gegenüber „Endokrinen Disruptoren“ (EDCs) zeitnah zu mindern, wird der dringend benötigte Schutz von Menschen und Umwelt vor diesen gefährlichen Stoffen nicht gelingen.
Außerdem sollten – wie im Koalitionsvertrag dargelegt – auch solche Substanzen mit einbezogen werden, bei denen der Verdacht einer schädlichen endokrinen Wirkung besteht, eine wissenschaftliche Evidenz der Schädlichkeit aber noch aussteht – den sogenannten hormonaktiven Substanzen. Dies wäre im Sinne des Vorsorgeprinzips. Es bleiben Zweifel, ob es ausreicht – kurzgesagt – Zusammenhänge aufzuzeigen: „Mit dem Fünf-Punkte-Plan zum Schutz vor hormonell schädigenden Stoffen schafft die Bundesregierung einen Plan, der die Zusammenhänge zwischen Regulierung, Aufklärung und Forschung zu hormonell schädigenden Stoffen und Handlungsoptionen aufzeigt“. Es bräuchte zusätzlich ein Konzept, wie das Ziel, die Exposition der Bevölkerung und der Umwelt gegenüber hormonschädlichen Chemikalien zu senken, regelmäßig und transparent evaluiert werden soll. Ein Hemmschuh ist zudem, dass offenbar keine Finanzmittel vorab gesichert werden konnten und nun alle Maßnahmen unter dem Vorbehalt verfügbarer Haushaltsmittel stehen.
Dennoch kann mit dem Plan eine Entwicklung angeschoben werden, um zukünftig gezielt Kenntnisse und Bewusstsein zu den Gefahren der sogenannten Endokrinen Disruptoren und Wege ihrer Vermeidung bei Behörden, Kommunen, in der Bildung und der Gesellschaft zu stärken. Auch die Koordinierung von Forschungsaktivitäten ist zu begrüßen. Dabei sollte aus Sicht von PAN auch die Förderung weniger gefährlicher, nicht-chemischer Alternativ- und Vorsorgeverfahren weit oben auf der Agenda stehen. Positiv ist auch der angekündigte Dialog mit Akteur*innen und Multiplikator*innen. Dieser sollte den Austausch über konkrete Maßnahmen und Ziele ermöglichen. Wichtig wäre aus PAN-Sicht der Ausbau einer Struktur, u.a. mit einer entsprechende Koordinierungs- bzw. Kontaktstelle für interessierte Stakeholder und Forschende und einer Webseite, die Informationen und Links zum Thema bündelt. Dafür wäre das Engagement aller befassten Ressorts notwendig, die notwendigen Kapazitäten zur Verfügung zu stellen.
Hintergrund
Auf allen Ebenen sind EDC-Reduktionsmaßnahmen dringend erforderlich. Die stetig wachsenden wissenschaftlichen Erkenntnisse zeigen immer dringlicher, dass gehandelt werden muss. Sie zeigen deutlich Zusammenhänge zwischen EDCs und Gesundheitsbeeinträchtigungen selbst bei sehr niedrigen Konzentrationen, so dass eine sichere Wirkschwelle nicht festgelegt werden kann. Zu den gesundheitlichen Beeinträchtigungen zählen unter anderem die Förderung von hormonbedingten Krebsarten, Beeinträchtigungen der Fruchtbarkeit, neuronale Beeinträchtigungen wie Verhaltensauffälligkeiten und Lernschwächen oder die Förderung von chronischen Erkrankungen wie Diabetes und Adipositas. Viele EDCs zeigen Cocktaileffekte und sind besonders für die Entwicklung von Ungeborenen und Kindern gefährlich. Durch EDCs ausgelöste Effekte können sich sogar generationenübergreifend manifestieren (mehr dazu auf der PAN-Website im Themenschwerpunkt „Hormongifte, EDCs“).
Bei den Kernbereichen der PAN-Arbeit – der Pestizid- und Biozidpolitik – regeln die entsprechenden EU-Verordnungen bereits seit 2009 bzw. 2012 den Ausschluss von hormonschädlichen Wirkstoffen. Allerdings geht die Identifizierung und Regulierung sehr schleppend voran und Ausnahmen vom Verwendungsverbot sind auch möglich. Momentan wurden erst 5 Pestizidwirkstoffe die Wiedergenehmigung bzw. Neugenehmigung aufgrund ihrer ED-Eigenschaft verweigert (PAN berichtete).
PAN Germany befasst sich seit Jahren mit der EDC-Thematik, engagiert sich sowohl für eine bessere eine schnellere Umsetzung der Gesetzgebung, als auch im Bereich Sensibilisierung der Öffentlichkeit und Bereitstellung von Informationen. Wert legt PAN darauf, Menschen konkret Hilfestellung zu bieten, wie sie hormonschädliche Stoffe im Alltag vermeiden können.