Geleakte Pestizid-Verordnung, Spielzeug, Krebs, Internationales
Eine Übernahme aus den EU-Umweltnews des DNR [Stand: 24.02.2022]:
Geleakter Verordnungsentwurf zum nachhaltigen Gebrauch von Pestiziden erntet Gegenwind
Die Europäische Kommission wird voraussichtlich am 23. März den Vorschlag für eine Verordnung über den nachhaltigen Einsatz von Pestiziden vorlegen. Derzeit ist der Vorschlag mit drei Optionen laut Brüsseler Quellen seit Anfang Februar in der dienststellenübergreifenden Konsultation. Der durchgesickerte Entwurf erntete jedoch unter anderem beim Pestizid Aktions-Netzwerk PAN Europe harsche Kritik. Er zeige „einen starken Mangel an Ehrgeiz“, biete den Mitgliedstaaten zahlreiche Schlupflöcher, die die Ziele des Green Deal unterliefen, und lasse das Umdenken hin zu einer Umstellung der Landwirtschaft auf nachhaltigere Praktiken vermissen.
Voraussichtlich wird es keine harmonisierten europäischen Regeln für den integrierten Pflanzenschutz geben, obwohl als Rechtsform eine Verordnung geplant ist. Mitgliedstaaten könnten so auf nationaler Ebene kulturspezifische Regeln festlegen. Martin Dermine, Referent für Gesundheits- und Umweltpolitik bei PAN Europe, sagte: „Die Grundlagen des integrierten Pflanzenschutzes werden nicht verbindlich vorgeschrieben, und synthetische Pestizide stehen weiterhin im Mittelpunkt der landwirtschaftlichen Praktiken.“ Es gebe darüber hinaus keinen kurzfristigen Ausstieg aus „hochgiftigen Pestiziden“, obwohl diese seit zehn Jahren verboten sein sollten. Befürchtet werden außerdem Rückschritte im Vergleich zur aktuellen Richtlinie über nachhaltige Nutzung von Pestiziden. Auch werde die Verwendung nicht-chemischer Alternativen wie eine langfristige Fruchtfolge, die Verwendung resistenter Sorten und mechanisches Jäten nicht verpflichtend vorgeschrieben, um den Bedarf an Pestiziden automatisch zu reduzieren, kritisierte PAN Europe. Dermine: „Wir begrüßen zwar das Verbot von Pestiziden auf öffentlichen Flächen und in Natura2000-Gebieten, aber wir können nicht akzeptieren, dass die Kommission keine spritzfreien Pufferzonen in der Nähe von Schulen, Häusern, Wegen oder Wasserläufen einrichtet: Ist die Gesundheit der Kinder weniger wichtig als die biologische Vielfalt von Natura2000?!“ Es sei Zeit, eine pestizidfreie Landwirtschaft zu fördern und die Unterschriften von 1,2 Millionen EU-Bürger*innen ernst zu nehmen, die die Europäische Bürgerinitiative „Bienen und Bauern retten“ unterstützt hätten.
EU-Parlament: Spielzeugrichtlinie verbessern, Krebs wirkungsvoller bekämpfen
Das EU-Parlament hat letzte Woche Mittwoch mit großer Mehrheit eine Resolution zur Spielzeugrichtlinie verabschiedet. Demnach müssen bestehende Regeln und die Marktüberwachung verschärft werden, um die Sicherheit aller Spielzeuge zu gewährleisten, die in der EU verkauft werden, auch aus Nicht-EU-Ländern und online vertriebene Produkte. Zwar böte die Spielzeugrichtlinie „ein hohes Maß an Sicherheit“, dennoch hielten sich nicht alle an die Regeln, sodass viele in der EU verkaufte Spielzeuge immer noch eine erhebliche Gefahr darstellten. Nach Ansicht der EU-Abgeordneten seien weitere Maßnahmen erforderlich, damit Kinder keinen gefährlichen Chemikalien ausgesetzt sind. Außerdem müssten die durch mit dem Internet verknüpfte Spielzeuge mit den damit einhergehenden Risiken besser im EU-Recht reglementiert werden. Auch müssten die Online-Marktplätze handeln, um sicherzustellen, dass unsicheres Spielzeug schneller entfernt wird.
Die Kommission sollte darüber hinaus sicherstellen, dass hormonell wirksame Stoffe im Spielzeug verboten werden, sobald sie entdeckt werden. Auch sollte die Kommission entscheiden, ob die derzeitige Unterscheidung zwischen Spielzeug, das für Kinder unter 36 Monaten bestimmt ist, und Spielzeug, das für ältere Kinder bestimmt ist, abgeschafft werden soll. Das EU-Parlament schlägt vor, alle Grenzwerte für Chemikalien in einer einzigen Rechtsvorschrift zusammenzufassen und die Grenzwerte für krebserregende, erbgutverändernde oder fortpflanzungsgefährdende Chemikalien zu senken.
In einer weiteren Entscheidung forderte das EU-Parlament eine „wirksamere EU-Krebsbekämpfungsstrategie“, die vor allem die Krebsvorsorge ernst nimmt. Umwelt-, lebensstil- und arbeitsbedingter Risikofaktoren müssten stärker bekämpft werden. Außerdem müsse ein besserer Zugang zu grenzüberschreitender Gesundheitsversorgung und klinischen Studien für Krebspatient*innen sichergestellt werden. Um einen effizienteren Umgang mit Engpässen bei Krebsmedikamenten zu gewährleisten, müsse ein EU-weites Konzept gegen Arzneimittelmangel erarbeitet werden. Christine Schneider (CDU, Deutschland) nannte die Annahme des Abschlussberichtes einen „Meilenstein im Kampf gegen den Krebs“. Streit gab es um die Frage, ob Alkoholkonsum generell oder nur, wenn er „schädlich“ sei statt „moderat“ einbezogen werden soll.
Nicht zuletzt nahm das EU-Parlament den Jahresbericht der europäischen Bürgerbeauftragten Emily O'Reilly an. Diese hatte explizit Kritik an der Genehmigung von Pestizid-Wirkstoffen geäußert, sofern Bedenken über ihre Gefahren oder ihre sichere Verwendung bestünden. Die EU-Kommission müsse das bestehende System so ändern, dass es das höchste Niveau an Gesundheits- und Umweltschutz gewährleiste, so die Abgeordneten.
Chemikalien international: UNEA auf dem Weg in eine giftfreie Zukunft?
Vom 28. Februar bis 2. März ist das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) Gastgeber der fünften Sitzung des Offenen Ausschusses der Ständigen Vertreter beim UNEP (OECPR) und der zweiten Sitzung der fünften UN-Umweltversammlung, dem höchsten politischen Forum für Umweltfragen. Unter anderem steht ein globales Abkommen über Plastikmüll auf der Tagesordnung. Das Zentrum für internationales Umweltrecht CIEL wird fünf weitere Themen besonders beobachten, die auch Inhalt zweier Resolutionen aus der Schweiz („Omnibus“-Resolution und Resolution für Chemiepolitik-Gremium) sind:
Finanzierung von Chemikalien und Abfällen – denn viele Länder haben die unzureichende Finanzierung als Haupthindernis für ein sicheres Chemikalienmanagement ausgemacht, die Lösung muss aus Sicht von CIEL global angedacht und mit einem integrierten Ansatz gestaltet werden
SAICM beyond 2020 – wegen der weltweiten Coronapandemie fehlt nach wie vor ein neuer globaler Rahmen für sicheres Chemikalienmanagement (SAICM)
„Besorgniserregende Themen“ – UNEP soll berichten, wie internationale Maßnahmen aussehen und wie wirkungsvoll sie sind, um Umwelthormone, Nanomaterialien oder Schwermetalle sowie Pestizide anzugehen. Angesichts der Lücken in der bestehenden Politik unterstützt der CIEL diesen Aspekt des Resolutionsentwurfs und empfiehlt den Mitgliedstaaten, ihre Anstrengungen zu verstärken.
Giftstoffe und Menschenrechte – Maßnahmen gegen die Verschmutzung durch Chemikalien und Abfälle sind laut Schweizer Resolutionsentwurf von zentraler Bedeutung für die Verwirklichung des vom UN-Menschenrechtsrat im Oktober 2021 befürworteten universellen Rechts auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt; CIEL begrüßt die Anerkennung, dass Exposition gegenüber Chemikalien und Abfällen ein Menschenrechtsthema ist
Wissenschaftlich-politisches Gremium für Chemikalien, Abfälle und Verschmutzung – die Schweiz fordert die Einrichtung eines neuen Gremiums für Chemikalien, Abfälle und Umweltverschmutzung, ähnlich dem Weltklimarates (IPCC) oder Weltbiodiversitätsrates (IPBES)
Gemischter Chemikaliencockail in Kürze
Die Europäischen Chemikalienagentur ECHA meldet, dass inzwischen über sieben Millionen Artikel in der SCIP-Datenbank zu finden seien. SCIP steht für besorgniserregende Chemikalien in Produkten [Substances of Concern In articles as such or in complex objects (Products)], die Datenbank soll die Transparenz bei gefährlichen Chemikalien verbessern. Außerdem laufen zahlreiche Konsultationen über Substanzen, darunter die bis zum 16. März laufende Konsultation zur Beschränkung von Dichlorethylen.
Die Antwort von der Umwelt- und Gesundheitsorganisation HEAL auf die Konsultation zu Glyphosat lässt sich hier nachlesen.