EU-Umweltnews - Chemikalien kompakt: Titandioxid, Weichmacher in Sekundärrohstoffen, Chemikalienstrategie, Glyphosat-Studien

Eine Übernahme der EU-Umweltnews [Stand: 14.10.2021]

Ab 2022 ist Titandioxid als Lebensmittelzusatzstoff in der EU verboten, entscheiden die Mitgliedstaaten. Weichmacher darf in recycelten Produkten vorhanden sein, urteilt der Europäische Gerichtshof (EuGH). Die Chemikalienstrategie wird ein Jahr alt. Glyphosat-Studien müssen belastbar sein, fordern Verbände.

Titandioxid-Verbot

Am Freitag vergangener Woche stimmten die EU-Mitgliedstaaten für einen Vorschlag der EU-Kommission, den Zusatzstoff E171 (Titandioxid) in Lebensmitteln zu verbieten. Gibt es bis Ende des Jahres keinen Widerspruch von Rat oder Parlament, tritt das Verbot 2022 in Kraft.

Die Entscheidung basiert auf einem Gutachten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) von Mai 2021 (siehe EU-News vom 06.05.2021). Darin hatte sie ihre bisherige Bewertung des Stoffs revidiert und ihn als unsicher eingestuft. „Unter Berücksichtigung aller verfügbaren wissenschaftlichen Studien und Daten“ war die EFSA zu dem Schluss gekommen, dass sie keinen sicheren Grenzwert für die Aufnahme von E 171 festlegen könne. Die Aufnahme von Titantioxidpartikeln über Lebensmittel könne dazu führen, dass sie sich im Körper ansammeln. Daraus entstehende genotoxische Schäden, also eine Schädigung des genetischen Materials, könnten nicht ausgeschlossen werden.

Titandioxid wird derzeit noch als aufhellender Farbstoff in Kaugummi, Gebäck, Suppen oder Nahrungsergänzungsmitteln eingesetzt.

Umwelt- und Gesundheitsverbände hatten ein solches Verbot bereits seit vielen Jahren gefordert.

DEHP in recyceltem Material erlaubt

Die EU-Kommission durfte es drei Recyclingunternehmen erlauben, den unter REACH beschränkten Weichmacher Diethylhexylphthalat (DEHP) zu verwenden. Zu dem Urteil kam vergangene Woche der Europäische Gerichtshof (EuGH) und entschied damit in einem Berufungsfall der Umweltrechtsorganisation Client Earth gegen die EU-Kommission. Das Europäische Gericht, dessen Urteil Client Earth angefochten hatte, habe richtigerweise festgestellt, dass die EU-Kommission „von ihrer Pflicht zur Anwendung des Vorsorgegrundsatzes entbunden“ gewesen sei, da eine sozioökonomische Abwägung stattgefunden habe, so der EuGH.

Dem Umweltinformationsdienst Ends Europe gegenüber erklärte Alice Bernard, Anwältin bei Client Earth: „Das Urteil deckt Schlüsselfragen der Chemikalienregulierung auf, die verbessert werden müssen.“

Im März war die zuständige Generalanwältin in ihrem Schlussantrag noch zu einer anderen Schlussfolgerung in der Angelegenheit gekommen. Ihrer Ansicht nach hätte die EU-Kommission, wie von Client Earth gefordert, bei der Bewertung von DEHP seine vollständigen gesundheitlichen Auswirkungen und damit auch seine hormonell wirksamen Eigenschaften berücksichtigen müssen (siehe EU-News vom 02.03.2021).

EU-Chemikalienstrategie: ein Jahr später

Am 14. Oktober 2020 stellte die EU-Kommission ihre Pläne für einen nachhaltigen Umgang mit Chemikalien vor. Das Ziel: Eine schadstofffreie Umwelt bis 2050 (siehe EU-News vom 15.10.2020). Die Organisation Chemtrust warf vergangene Woche einen Blick auf den Stand der Umsetzung der Strategie nach einem Jahr. Demnach habe die EU-Kommission sich viel damit beschäftigt, die Chemikaliengesetzgebung der EU zu überarbeiten. Die Schwerpunkte dafür seien Konsultationen zu den Reformen, die Entwicklung einer „Beschränkungs-Roadmap“ und die Schaffung eines High-Level-Gesprächskreises gewesen.

Noch müssten jedoch „praktische Entscheidungen“ getroffen werden. Und zwar darüber, wie die größten Hindernisse der Identifizierung und Regulierung der schädlichsten Stoffe in Angriff genommen werden können. Die Legislativvorschläge für die Überarbeitung der REACH- und der CLP-Verordnungen müssten Verbote der schädlichsten Chemikalien, darunter endokrine Disruptoren, in Verbraucherprodukten enthalten, so Chemtrust.

Wissenschaftlichkeit der Glyphosat-Zulassung

In einem offenen Brief haben sich am Mittwoch 41 zivilgesellschaftliche Organisationen an die für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit zuständige EU-Kommissarin Stella Kyriakides gewandt und gefordert, dass die laufende Bewertung von Glyphosat auf aktuellen wissenschaftlichen Studien beruhen müsse. Im Juli hatten österreichische Krebsforscher*innen kritisiert, dass nur zwei der 53 eingereichten Studien zur Genotoxizität von Glyphosat, die der Zulassung 2017 zugrunde lagen, die notwendigen wissenschaftlichen Anforderungen erfüllt hätten und somit zuverlässig gewesen seien (siehe EU-News vom 07.07.2021).

Die mögliche krebserregende Wirkung von Glyphosat wird derzeit erneut bewertet, da die aktuelle Zulassung des Pestizids Ende 2022 ausläuft. Die Europäischen Behörden für Chemikalien (ECHA) und Lebensmittelsicherheit (EFSA) sammeln noch bis zum 22. November wissenschaftlichen Input zu der Frage in öffentlichen Konsultationen. [km]

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