PFAS: EU-Kommission verbietet kleine Untergruppe, Belastung bleibt

Eine Übernahme aus den EU-Umweltnews des DNR

Im Rahmen der EU-Chemikalienverordnung REACH hat die EU-Kommission die Verwendung von einer Untergruppe der wegen ihrer Langlebigkeit auch als „Ewigkeitschemikalien“ bezeichneten per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) verboten. Zumindest in bestimmten Bereichen, nämlich „Anwendungen, bei denen das Risiko nicht angemessen beherrscht wird, Alternativen verfügbar sind und die sozioökonomischen Kosten im Vergleich zum Nutzen für die menschliche Gesundheit und die Umwelt begrenzt sein werden“. Es gibt Ausnahmeregelungen.

Die Beschränkung verbietet den Verkauf und die Verwendung von PFHxA in Verbrauchstextilien wie Regenwesten, in Lebensmittelverpackungen, in sogenanntem „Verbrauchergemisch“ wie Abdichtungssprays und in Kosmetika. Auch bei Feuerlöschschaumanwendungen in Schulungen oder Tests werden sie künftig verboten, nicht aber im professionellen Bereich, wenn sonst die Sicherheit gefährdet wäre. Das Verbot umfasst auch nicht die Anwendungen von PFHxA in Halbleitern, Batterien oder Brennstoffzellen für grünen Wasserstoff, dort bleibt die Stoffgruppe erlaubt. Die PFHxA-Beschränkung tritt 20 Tage nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt in Kraft. Je nach Verwendung gibt es Übergangszeiträume zwischen 18 Monate und fünf Jahren zur wirksamen Umsetzung.

Gegen den alle PFAS umfassenden Verbotsvorschlag (EU-News 18.01.2023, 09.02.2023, 21.04.2023 , 17.11.2023, 27.06.2024) regt sich Widerstand. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich laut Medienberichten (Merkur ) erst jüngst, am 12. September auf der Tagung des Chemie- und Pharmaverbandes VCI in Berlin, gegen ein Pauschalverbot ausgesprochen, da PFAS in vielen Industrieanwendungen gebraucht würden und noch keine Alternativen existierten. Ende August hatte die Industrie sich mit einem „Brandbrief“ an den Bundeskanzler gewandt, berichtete die FAZ.

Das PFAS-Verbot könnte aber auch Innovationen für sicherere Alternativen beschleunigen und den Marktteilnehmern Sicherheit geben, argumentiert Chemikalienexpertin Beverly Thorpe im Magazin Meta des Europäischen Umweltbüros (EEB) ausführlich.

Kinder in Europa täglich durch giftige Chemikalien belastet

An der Umwelt- und Gesundheitsschädlichkeit gefährlicher Chemikalien wie PFAS gibt es kaum Zweifel. Neue Erkenntnisse von Umwelt- und Kinderrechtsorganisationen zeigten, dass Kinder in ganz Europa durch die tägliche Belastung mit giftigen Chemikalien in Konsumgütern gefährdet sind. Die Organisationen fordern die Europäische Kommission auf, endlich den Rechtsrahmen zu verbessern. Giftige Chemikalien, darunter auch verbotene Stoffe, befänden sich in Alltagsgegenständen wie Plastikflaschen, Spielzeug, Kleidung und sogar Bodenbelägen – und landen dann auch im Körper von Kindern. „Dieser tägliche Kontakt mit gefährlichen Chemikalien bedroht die Gesundheit, die Entwicklung und die Zukunft der Kinder“, kritisieren unter anderem EEB, die niederländische Tegengif-Stiftung und Arnika/IPEN und verweisen auf veraltete oder uneinheitliche EU-Vorschriften. 

Untersuchungen von Arnika/IPEN haben ergeben, dass mehr als die Hälfte der analysierten Outdoor-Jacken und anderer Kinderkleidung PFAS enthalten. Karolína Brabcová vom Toxikologie- und Abfallprogramm bei Arnika sagte: „Selbst verbotene PFAS wie Perfluoroctansäure (PFOA) wurden in Kinderkleidung gefunden.“ PFAS werden mit Krebs, Auswirkungen auf das Immun-, Fortpflanzungs- und Hormonsystem und anderen negativen Auswirkungen auf die Gesundheit in Verbindung gebracht und sind für Kinder besonders schädlich. Dabei gebe es auch Alternativen. „Die gute Nachricht ist, dass PFAS-freie Outdoor-Textilien auf dem Markt sind, was ein vollständiges Verbot dieser Chemikalien, einschließlich fluorierter Polymere, zu einer praktikablen Lösung des Problems macht“, fügte Brabcová hinzu.

Dabei sind PFAS nicht das einzige Gesundheitsproblem. Spätestens seit 2022 weiß die europäische Öffentlichkeit, dass 17 Prozent der europäischen Kinder und Jugendlichen laut Human-Biomonitoring für Europa (HBM4EU) durch die kombinierte Exposition gegenüber mehreren Phthalaten gefährdet sind. Eine neue Studie zeigt, dass Kindertrinkflaschen aus Kunststoff Diisobutylphthalat (DIBP) enthalten, einen verbotenen chemischen Kunststoffzusatz, der dafür bekannt ist, dass er den Hormonhaushalt stört und die Fortpflanzung und die Entwicklung des ungeborenen Fötus schädigt. Zudem könne sowieso nur ein kleiner Teil der Hunderten von Chemikalien, die aus den Flaschen austreten identifiziert werden. „Das bedeutet, dass wir nicht wissen, um welche Stoffe es sich handelt und was sie bewirken, wir setzen Kinder nicht identifizierbaren Chemikalien aus. Kunststoffe sind zu einer Black Box geworden“, betonte Annelies den Boer, Direktorin der Tegengif Foundation. „Wir wissen einfach nicht, welchen Stoffen unsere Kinder ausgesetzt sind“. 

Die EU-Chemikalienpolitik ist veraltet

Zum Schutz von Mensch und Umwelt vor toxischer Verschmutzung fordern die Organisationen eine rasche Aktualisierung von REACH, dem fast zwei Jahrzehnte alten EU-Chemikalienkontrollsystem. Derzeit dauere es im Durchschnitt über 19 Jahre, bis Chemikalien mit bekannten Gefahrenprofilen aus dem Verkehr gezogen werden, während viele andere Chemikalien trotz unbekannter Eigenschaften auf dem Markt zugelassen sind. Das System hinke dem wissenschaftlichen Konsens hinterher, sodass Chemikalien wie PFAS, Bisphenole, halogenierte Flammschutzmittel und PVC weiterhin auf dem Markt seien, so die Verbände.

Auch Chemiebelastung durch Verpackungen bleiben ein Problem, zeigt eine neue Studie in Nature: Die Übertragung von Chemikalien durch Lebensmittelkontaktmaterialien – also Kartons, Tüten, Becher, Dosen etc. - ist demnach größer als gedacht. So landen von den 14.000 bekannten Food Contact Chemicals (FCC) ein Viertel (3.601) im menschlichen Organismus. Viele davon sind nachgewiesenermaßen je nach Konzentration gesundheitsschädlich, für manche gibt es noch keine Toxizitätsdaten, manche tauchen in Biomonitorings gar nicht erst auf.  [jg]

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Handelsschlupflöcher ermöglichen es europäischen Unternehmen, giftige Produkte zu exportieren, die auf dem EU-Markt verboten sind

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1x1 der Chemikalienpolitik - 1. chemiepolitischer Mittagstalk 2024