Der Weg zu einer PFAS-freien Wirtschaft für eine saubere und gesunde Zukunft

Eine Übernahme von CHEMTrust:

Ein Kommentar von Dr. Julie Schneider, Senior Campaigner bei CHEM Trust (ursprünglich am 5. Oktober 2023 auf Englisch veröffentlicht)

Am 12. Oktober 2022 veröffentlichte CHEM Trust zusammen mit Arnika, Tegengif, HEAL, EEB, ClientEarth und BUND ein Manifest für ein Verbot von PFAS-Verbindungen, auch „Ewigkeitschemikalien“ genannt. Seitdem haben es über 125 Organisationen aus vielen verschiedenen Ländern unterschrieben. Das zeigt: Es gibt breite Unterstützung dafür, die Herstellung und Verwendung von PFAS schnellstmöglich zu beenden, um unsere Zukunft und die Zukunft unserer Kinder zu schützen.

Im Februar 2023 veröffentlichten Fachbehörden aus Dänemark, Deutschland, den Niederlanden, Norwegen und Schweden einen detaillierten Vorschlag für ein EU-weites PFAS-Verbot im Rahmen der Chemikalienverordnung REACH – ein wichtiger Schritt. Es sollten alle Anstrengungen unternommen werden, um sicherzustellen, dass der Ausstieg aus PFAS baldmöglichst in der europäischen Gesetzgebung verankert wird.

Kontamination des gesamten Planeten

PFAS, per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen, sind synthetische Chemikalien, die in der natürlichen Umwelt nicht vorkamen, bis sie erstmals in einem Labor hergestellt wurden und nach dem Zweiten Weltkrieg in die Massenproduktion gingen. Mittlerweile belasten PFAS den ganzen Planeten und seine Bewohner*innen. Wissenschaftler*innen sagen, dass die planetare Grenze für PFAS schon überschritten wurde.

PFAS haben bereits erhebliche Auswirkungen auf die körperliche und mentale Gesundheit von Menschen in stark belasteten Regionen. Dass PFAS in der Umwelt so allgegenwärtig sind, bedeutet: Wir alle nehmen diese Substanzen zumindest in geringem Maße auf, über die Nahrung, die wir essen, und das Wasser, das wir trinken – zusätzlich zu all den PFAS, die aus Alltagsprodukten stammen. Bei 14 Prozent der Teenager in Europa wurden im Körper PFAS in Mengen nachgewiesen, die gesundheitsschädlich sein könnten.

PFAS sind außerdem nicht nur für Menschen gefährlich: Analysen der Environmental Working Group haben gezeigt, dass über 600 Spezies auf der ganzen Welt durch die Exposition gegenüber PFAS gefährdet sind.

PFAS sind die persistentesten organischen Chemikalien, die jemals geschaffen wurden. Werden diese „ewigen Chemikalien“ also weiter freigesetzt, werden auch ihre Konzentrationen in der Umwelt immer höher. Dadurch steigt das Risiko irreversibler, weitreichender, negativer Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt.

Es steht außer Frage, dass die Sanierung von stark kontaminierten Orten eine der Maßnahmen sein muss, um heutige und künftige Generationen vor der Exposition gegenüber PFAS zu schützen. Eine PFAS-freie Wirtschaft ist jedoch die entscheidende Voraussetzung dafür, dass die bestehende Kontamination nicht weiter zunimmt. Wird nichts dafür getan, die Verwendung der ewigen Chemikalien zu stoppen, würden nach Schätzungen der Verfasser*innen des PFAS-Beschränkungsvorschlags in den nächsten 30 Jahren weitere 4,5 Millionen Tonnen PFAS in die Umwelt gelangen – und dort bleiben. Folgende Analogie wird oft genutzt, um Umweltprobleme zu beschreiben, und trifft gut auf die Kontamination mit PFAS zu: Wenn die Badewanne überläuft, muss man zuerst den Wasserhahn zudrehen, bevor man zum Wischmopp greift.

Ein reibungsloser Übergang zu einer Wirtschaft ohne PFAS und die Rolle der EU-weiten PFAS-Beschränkung

Da PFAS mittlerweile alle Wirtschaftsbereiche durchdrungen haben, wird der Wechsel zu einer PFAS-freien Wirtschaft natürlich nicht über Nacht stattfinden. Hier spielt das geplante EU-weite Verbot von PFAS eine entscheidende Rolle: Es schafft einen rechtlichen Rahmen für den reibungslosen Ausstieg aus den verschiedenen Anwendungen von PFAS.

Das Verbot sieht spezifische Übergangsfristen für verschiedene Anwendungen vor, die sich am Entwicklungsstand von PFAS-freien Alternativen orientieren. Ehrgeizige und klare Fristen sind wichtig, um Anreize für Substitutionen zu schaffen und die Zukunft für Unternehmen berechenbar zu machen.

Auch wenn einige Anpassungen am aktuellen Beschränkungsvorschlag notwendig sein könnten, um einen reibungslosen Übergang zu einer PFAS-freien Wirtschaft zu ermöglichen ohne den Zugang zu kritischen Anwendungen zu verlieren, ist es äußerst wichtig, Ausnahmeregelungen zeitlich zu begrenzen und so spezifisch wie möglich zu halten. Das ambitionierte Ziel des aktuellen Vorschlags, eine europäische Wirtschaft ohne PFAS bis zum Ende aller Übergangsfristen zu erreichen, muss beibehalten werden, um eine drastische Minderung der PFAS-Emissionen in der EU zu gewährleisten, so wie es die Europäische Kommission in der Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit zu einer schadstofffreien Umwelt versprochen hat.

Der Übergang zu einer PFAS-freien Wirtschaft ist bereits im Gange

Die gute Nachricht ist: Es gibt schon Anzeichen, dass die Industrie bereits dabei ist, Lösungen zu finden und alternative Produkte und Prozesse zu entwickeln, sodass die wesentlichen Bedürfnisse der Gesellschaft nicht beeinträchtigt werden.

Mit der richtigen Unterstützung und Entschlossenheit können PFAS-freie Alternativen gefunden werden. Ein Beispiel dafür ist diese inspirierende Geschichte von Studierenden der University of Massachusetts Lowell, die innerhalb von zwölf Monaten einem lokalen Unternehmen halfen, sicherere Alternativen zu PFAS für die Herstellung von Halbleitern zu finden. Dies stimmt zuversichtlich, dass die Herausforderung des PFAS-Ausstiegs durch menschliche Kreativität gelöst werden kann. Diese Vision sollten wir kultivieren und unterstützen – und nicht von vornherein defätistisch in die Auseinandersetzung gehen.

Die Technologien der Zukunft müssen PFAS-frei sein

Professor Martin Scheringer, Vorsitzender des International Panel on Chemical Pollution und ein Mitkordinator des Global PFAS Science Panel, hat die Industrie in einem Science-Leitartikel von Juli 2023 dazu aufgefordert, Innovationen jenseits von PFAS zu finden. Tatsächlich ist es sehr wichtig, eine Abhängigkeit der Zukunftstechnologien von PFAS-Chemie zu vermeiden, da PFAS sonst weiter und sogar zunehmend eingesetzt und damit die Emissionen steigen würden.

Insbesondere für die Branchen Elektronik und Halbleiter gehen die Behörden, die den EU-weiten PFAS-Beschränkungsvorschlag eingereicht haben, davon aus, dass es ohne eine rechtliche Beschränkung im Laufe der Zeit zu einem erheblichen Anstieg der PFAS-Emissionen kommen wird. Basierend auf Annahmen über die Verwendung von PFAS gehen sie allein in diesen Branchen von einer Zunahme um mehr als 1000 Prozent zwischen 2025 und 2050 aus (siehe Anhang E, Abschnitt E.2.11. des Beschränkungsvorschlags).

Wenn PFAS weiterhin in Branchen eingesetzt werden, in denen erhebliches Wachstum erwartet wird, birgt das die Gefahr, dass die dadurch entstehenden Freisetzungen die Emissionseinsparungen durch den Verzicht auf PFAS in anderen Branchen überkompensiert. Aus diesem Grund muss die Gesellschaft, wie Professor Martin Scheringer zu Recht sagte, Innovationen über PFAS hinaus finden.

Das EU-Verbot ist der erste Schritt zu einem weltweiten PFAS-Ausstieg

Der EU-weite PFAS-Beschränkungsvorschlag könnte als Blaupause für den weltweiten Ausstieg aus der Verwendung von PFAS dienen. Durch die Dynamik, die der PFAS-Beschränkungsvorschlag ausgelöst hat, werden bereits jetzt Innovationen für PFAS-freie Technologien angeregt und so der globale Ausstieg gefördert.

Das endgültige Ziel ist eine Wirtschaft ohne PFAS, in der unsere Gesellschaft ihre Abhängigkeit von der PFAS-Chemie beendet und auf eine saubere und gesunde Zukunft zusteuert. Es gibt viele engagierte, kompetente und fortschrittliche Akteur*innen in Wissenschaft und Wirtschaft – diese brauchen einen klaren politischen Willen, die institutionelle Unterstützung und Förderung, um ihre Kreativität einzusetzen zu können und eine PFAS-freie Wirtschaft möglich zu machen.

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