Der wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung bestätigt zivilgesellschaftliche Forderungen

Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) ist ein unabhängiges Gremium, welches die Bundesregierung in Fragen zur Nachhaltigkeit und Umsetzung der Agenda 2030 berät. Dabei schlägt der WBGU auch Maßnahmen vor, die getroffen werden müssen, um die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Als wesentliches Instrument dafür dient das sogenannte Hauptgutachten, das den Abgeordneten von Bundestag und Bundesrat, sowie der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wird. Das aktuelle Hauptgutachten trägt den Titel „Gesund leben auf einer gesunden Erde“.

Ein Abschnitt der acht Kapitel und diversen Unterkapiteln widmet sich der Verschmutzung und den Umgang mit Stoffen. Der wissenschaftliche Beirat schließt sich der Einschätzung des Umweltprogramms der Vereinten Nationen an, dass die Verschmutzung die dritte große Umweltkrise unserer Zeit ist und ein zunehmendes Risiko darstellt. Dabei liegt die Hauptursache der Verschmutzung in den „gegenwärtig weltweit vorherrschenden ressourcenintensiven, nicht geschlossenen Kreisläufen […] [der] Produktions- und Konsumweisen“. Künftig stiege die Gefahr der Verschmutzung weiter, weil einerseits wir schon eine multiple Belastung durch verschiedene Stoffe vorliegen haben, zum anderen aber auch Transformationsprozesse wie die Klimawende und die Mobilitätswende das Problem noch verschärfen könnten, da hier viele Chemikalien zum Einsatz kommen müssten. Der WBGU kommt daher zu dem Schluss, dass „die weltweite Verschmutzung mit gesundheitsgefährdenden Stoffen politische stärker adressiert werden“ muss.

Dem ständen aber verschiedene Probleme gegenüber. Dies ist zum Beispiel die Persistenz, also die Langlebigkeit von Stoffen und Chemikalien. Die Regulierung von Stoffen, die als persistent gelten, erfolgt meist viel zu spät, sodass sie schon weit in der Umwelt verbreitet und in die Nahrungsketten vorgedrungen sind. Dort sind sie nur schwierig oder nicht mehr herauszufiltern. Als Beispiel nennt der WBGU hier die Per- und Polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) PFOA, PFOS, PFNA und PFHxS, die mittlerweile teilweise auch über das Stockholmer-Abkommen international verboten sind, jedoch schon so weit in der Umwelt verbreitet sind, dass wir dennoch mit den dort verursachten Problemen umgehen müssen. Die verspätete und reaktive Regulierung, die der Maßstab auf allen Ebenen sei, bringe außerdem den Umstand mit sich, dass regulierte Stoffe meist einfach durch andere Stoffe substituiert werden, die teilweise genauso schädlich sind, jedoch erst neu den Regulierungskreislauf durchlaufen müssen. Die chemische Verschmutzung sei eine stille Bedrohung, da oft nicht klar ist, wie gefährlich die einzelnen Chemikalien sind und auch eine systematische Erhebung schwer sei.

 

Ein anderes grundsätzliches Problem in der internationalen Chemikalienpolitik sei das Fehlen von klaren Leitbildern und Zielvorstellungen, die es bspw. im Gegensatz dazu in der Klimapolitik gäbe. Die EU habe mit ihrem Zero Pollution Ziel erstmals ein solches Leitbild formuliert, das Vorreiterpotenzial hat. Hinzu komme, dass die bisherige Regulierung sowohl national als auch international in der Regel über Negativlisten funktioniere. D.h. Stoffe müssen zunächst identifiziert, bewertet und als schädlich gelistet werden, bis die Regulierung erfolgt. Im Gegensatz dazu wäre ein Leitbild die Schaffung von Positivlisten, d.h. die Schaffung einer Datenbank, in der Stoffe gelistet sind, die bewiesenermaßen nicht umwelt- und gesundheitsschädigend sind und dadurch auch eingesetzt werden können.

Um dem entgegenzuwirken, schlägt der WBGU verschiedene Maßnahmen vor. Zentral dabei ist die Verankerung des Präventions- und Vorsorgeprinzips als grundsätzliche Handlungsweisung für die Chemikalienpolitik auf allen Ebenen. So könnten verspätete Reaktionen und nachträgliche Reparaturen von Schäden vermieden werden. Umgesetzt in ein internationales Zulassungsregime würde dies ein präventives Verbot für gefährliche Stoffe bspw. nach Vorbild des REACH-Systems bedeuten. Außerdem, um die schiere Menge an Chemikalien regulieren zu können, müsse der Gruppenansatz ausgeweitet werden, nach dem nicht einzelne Stoffe, sondern ganze Stoffgruppen mit gleichen Eigenschaften reguliert werden müssen.

Die Betrachtungen und Handlungsempfehlungen des WBGU ist aus zivilgesellschaftlicher Perspektive nichts hinzuzufügen. Dies zeigt jedoch auch wieder einmal: die Analysen und wisschenschaftlichen Erkenntnisse liegen bereits vor. Wir wissen genug über die aktuellen Probleme und ohne die Toxizität jedes einzelnen Stoffes zu kennen. Es fehlt lediglich an einer ambitionierten Regulation von Chemikalien auf allen Ebenen.

Hier finden Sie das aktuelle Hauptgutachten “Gesund leben auf einer gesunden Erde” des WBGU.

 

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Der Sachverständigenrat für Umweltfragen drängt auf ein nachhaltiges Chemikalienmanagement

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Geplanter Exportstopp für verbotene Pestizide lückenhaft