Der Sachverständigenrat für Umweltfragen drängt auf ein nachhaltiges Chemikalienmanagement
Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) berät seit über 50 Jahren die Bundesregierung für die Umweltpolitik. In ihrem aktuellen Gutachten drängen die Expert*nnen darauf, den umweltbezogenen Umweltschutz als politische Querschnittsaufgabe zu stärken. Demnach könne Umweltschutz uns vor Krankheiten bewahren und die Gesundheit fördern, bzw. gegenteilig führen Umweltschäden und die Überschreitung der ökologischen Grenzen auch zu einer Belastung der menschlichen Gesundheit. Die Politik nehme den Zusammenhang jedoch bisher noch nicht ernst genug und adressiere das Problem nicht ausreichend, so der SRU.
Ewigkeitschemikalien - eine Gefahr für unsere Gesundheit
In den Beispielen für umweltbezogene Gesundheitsbelastungen führt der SRU neben Feinstaub, Hitze und Antibiotika in der Tierhaltung auch die Per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) auf. Die PFAS haben zuletzt verstärkt Aufmerksamkeit bekommen. Auch europäischer Ebene haben mehrere Staaten ein stoffgruppenbezogenes Beschränkungsdossier erarbeitet, um den Gefahren, die von den PFAS ausgehen, einzuschränken.
Was der SRU für PFAS aussagt, lässt sich auf weitere Stoffe und Stoffgruppen ausweiten: „Die menschliche Aufnahme ist aufgrund der Ubiquität der Verbindungen nicht vermeidbar“. Dadurch dass Chemikalien überall um uns herum sind, sind wir ihnen dauerhaft ausgesetzt und wir nehmen sie zwangsläufig auf. Dies, sowie generell die Anreicherung der Stoffe im menschlichen Körper sei unerwünscht, so der SRU. Zwar hätten PFAS in der Regel nur eine geringe akute Toxizität – wobei der SRU einräumt, dass es noch erhebliche Wissenslücken gebe – aber aufgrund der Persistenz und der Anreicherung in Körpern treten durchaus Effekte auf. Bspw. werde das Immunsystem geschwächt, aber auch einzelne Organe angegriffen, die in der Folge in ihrer Funktion beeinträchtigt sind.
Die Pfade, über die wir mit PFAS in Berührung kommen und diese aufnehmen, seien vielfältig. Viele PFAS, wie auch andere Chemikalien sind Teil von Konsumprodukten, wo wir Menschen direkt mit ihnen in Verbindung kommen. Schwerwiegender sind jedoch oft umweltoffenen Anwendungen, bei denen Chemikalien in Luft, Boden und Wasser gelangen und darüber sich in den Nahrungsketten anreichern und von Menschen und anderen Lebewesen direkt aufgenommen werden.
Als Handlungsempfehlungen für die PFAS spricht der SRU aus, die bestehenden Wissenslücken dringend zu schließen. Es müsse die Belastung von Mensch und Umwelt durch PFAS erfasst werden und ein Monitoring für einzelne Vertreter aus der Stoffgruppe eingerichtet werden, um so Daten und Argumente für eine Regulierung zu liefern. Die bisherige Regulierung einzelner PFAS durch die REACH-Verordnung in Europa (Registrierung, Bewertung, Zulassung und Regulation von Chemikalien, REACH) zeige aber, dass die verbotenen Stoffe schnell durch Substitute mit vergleichbaren Eigenschaften, über die wir aber weniger wissen, ersetz werden. Daher müsse das Problem der PFAS umfassender angegangen werden. Der SRU spricht sich für den Stoffgruppenansatz und den Beschränkungsvorschlag auf europäischer Ebene aus.
SRU fordert eine nachhaltige Chemikalienpolitik
Die PFAS sind eben nur ein Beispiel, wie sich Chemikalien und Stoffe in der Umwelt anreichern, Ökosysteme beeinträchtigen und die menschliche Gesundheit beeinflussen. Das Problem ist vielfältiger und umfassender. Auf europäischer Ebene sind mit dem „Zero Pollution Action Plan“ und der europäischen Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit wichtige Impulse gesetzt worden, um die bestehenden Probleme anzugehen. Der SRU plädiert für eine fundierte und vorsorgeorientierte Stoffbewertung, die die Voraussetzung für ein adäquates Management sei.
Und obwohl die Impulse auf EU-Ebene gut und wichtig sind, greifen sie noch zu kurz. Das Null Schadstoffziel der EU ist Instrument, um die Vermeidung von Umweltverschmutzung in allen politischen Strategien der EU zu implementieren. Dabei kommen grundlegende keine neuen Aspekte ins Spiel, sondern die bestehenden Regulierungen sollen lediglich verbessert werden. Der SRU kommt aber zu dem Schluss, dass eine wirkliche Schadstofffreiheit eine tiefgreifende Transformation des menschlichen Verhaltens und unserer Gesellschaft brauche. Lediglich verbesserte Regulierungen reichten nicht aus. Die kann jedoch eine ein Zero Pollution Action Plan allein auch nicht leisten. Grundsätzlich sei solch ein Plan und die Leitbilder einer Schadstofffreiheit auch international zu verankern.
Als einen ersten Schritt zur Erreichung des Null Schadstoffzieles wurde die Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit im Herbst 2020 veröffentlicht, die eine große Chance biete einer schadstofffreien Umwelt näherzukommen. Allerdings müsse diese zügig umgesetzt werden, um ihre Ziele wirklich zu erreichen. Der Zeitplan u.a. mit der Revision der REACH-Verordnung steht aber bereits jetzt im Verzug. Um wirklich eine schadstofffreie Umwelt bis 2050 zu erreichen und damit die selbstgesteckten Ziele umzusetzen, bedarf es einer vorsorgeorientierten Bewertung und Zulassung, bzw. Regulierung von Chemikalien. Die Grundlage müssen verlässliche und ausreichende Informationen sein.